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Klinische Studien bei fortgeschrittener Niereninsuffizienz und Nierenersatztherapie


In den vergangenen Wochen wurden die Ergebnisse verschiedener randomisierter klinischer Studien bekannt, deren vielversprechende Hypothesen nicht bestätigt werden konnten. Aus den Reaktionen im weltweiten Netz (www.) lassen sich die Enttäuschungen von Nephrologen und Investoren ablesen. Viel zu pauschal wird die Historie von sogenannten negativen Studien bei Dialysepatienten aufgerufen, unreflektiert kommentiert und auf die gesamte Nephrologie extrapoliert. Deshalb werden im Folgenden die Studien EVOLVE (The EVOLVE Trial Investigators, N Engl J Med 2012 Nov. 3 [Epub ahead of print], BEAM (Pergola PE, N Engl J Med 365:327-336, 2011) und BEACON (www.reatapharma.com), TEMPO (Torres VE, N Engl J Med Nov. 3 2012 [Epub ahead of print]), ALTITUDE (Parving HH, N Engl J Med 2012 Nov. 3 [Epub ahead of print]) und deren unterschiedliche Implikationen und Perspektiven kritisch diskutiert.

EVOLVE wurde im Vergleich zu den anderen hier aufgelisteten Studien nur an Dialysepatienten durchgeführt (CKD-Stadium 5D) und nimmt deshalb eine Sonderstellung ein. Der primäre Endpunkt war ein in der Kardiologie bekannter klassischer Endpunkt zusammengesetzt aus

a) Zeit bis zum Eintreten des Todes
b) Myokardinfarkt
c) Hospitalisation wegen instabiler Angina
d) Herzversagen/Insuffizienz oder
e) periphere vaskuläre Ereignisse.

Der Endpunkt zeigt aber Ansätze des Zuschnittes auf die Testsubstanz Cinacalcet, was sehr gut war. Der primäre Endpunkt war nicht signifikant, wie auch die aufgezählten Subkomponenten. Damit wurde die getestete Hypothese nicht bestätigt, was primär enttäuschend ist, da die Substanz Cina­calcet sehr potent Surrogatmarker beeinflussen kann (Parathormon, Calcium). Zumindest Parathormon (PTH) ist in großen Beobachtungsstudien eng mit Mortalität und kardiovaskulären Ereignissen verknüpft. Da das EVOLVE-Ergebnis unseren Vorstellungen widerspricht, werden in den nächsten Monaten die präspezifizierten Endpunkte (zum Teil sekundärer Art), die Intention-to-treat-Analyse und das 54 Seiten umfassende Supplement des Artikels intensiv diskutiert und weiter untersucht werden. Das Editorial im N Engl J Med, von zwei renommierten Epidemiologen und Nephrologen des George Institute der Universität Sydney geschrieben, spricht den zentralen Punkt an: "We need to change the way we study the effects of new drugs and integrate these changes into regulatory processes, guideline development, and clinical practice". Wahrscheinlich bezieht sich diese Aussage auf die Frage, was Cinacalcet in Bezug auf den primären Endpunkt zu leisten imstande war. Die im N Engl J Med publizierte Rationale von EVOLVE war, dass Störungen im Mineralhaushalt, inklusive sekundärer Hyperparathyreoidismus, zu extraskeletaler (miteingeschlossen vaskulärer) Verkalkung bei CKD-Patienten beitragen können. In der gegenwärtig akzeptierten Pathogenese der Gefäßerkrankung verursachen Störungen im Mineralhaushalt (z. B. PTH, Phosphat, Calcium) einen Verkalkungstyp, der nicht durch klassische koronare Plaquebildung gekennzeichnet ist. Die Frage stellt sich deshalb, warum EVOLVE im primären Endpunkt den Myokardinfarkt enthält, ein Endpunkt, der klassischerweise durch eine Ruptur cholesterinhaltiger Plaques hervorgerufen wird und der durch Statine gut zu therapieren ist? Eine Diskussion dieser Art „welcher klinische Endpunkt wird durch den Wirkmechanismus der Substanz angesprochen“ muss in Zukunft häufiger geführt werden, als auf klassische Endpunkte auszuweichen.

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Tags: nephro-news nephrologie dialyse niereninsuffizenz nierenersatztherapie 

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