INTENSIV-News
Antikoagulation als „Trauma“ einer Nierenersatztherapie (RRT)?
Das akute Nierenversagen (ANV) mit der Notwendigkeit einer Nierenersatztherapie (RRT) stellt einen unabhängigen Mortalitätsfaktor bei schwerer Sepsis und septischem Schock dar (Oppert M et al., NDT 2008; 23:904-909). Wahrscheinlich trägt nicht nur das ANV selbst, sondern auch die RRT zu dieser hohen Mortalität bei. In diesem Zusammenhang wurde erst kürzlich der Begriff des „Dialyt-“ oder „Filtrationstraumas“ geprägt (Druml W, Intensiv-News 2009). Gerade kontinuierliche Nierenersatzverfahren mit der Notwendigkeit einer kontinuierlichen systemischen Antikoagulation können hier ein potentielles „Trauma“ darstellen. Effektive Antikoagulation setzt die Patienten kontinuierlich einem erhöhten Blutungsrisiko aus. Umgekehrt kann bei nicht ausreichender Antikoagulation häufiges „clotting“ der Maschine, mit der Folge einer verminderten RRT-Effektivität und erhöhtem Transfusionsbedarf, die Folge sein. Freisetzung von Entzündungsmediatoren durch Blutkontakt mit Fremdoberflächen sowie durch das Antikoagulanz selbst, mit der Folge einer Aktivierung von Entzündungszellen und Thrombozyten, können zu diesem „Trauma“ beitragen (Abbildung 1). Weltweit ist systemisches unfraktioniertes Heparin das am häufigsten eingesetzte Antikoagulanz. Fraktioniertes Heparin weist bei Nierenversagen eine deutlich verlängerte Plasmahalbwertszeit auf, mit der Gefahr einer Kumulation, schlechter Steuerbarkeit und fehlender Antagonisierbarkeit gerade bei kontinuierlichen Nierenersatzverfahren. In den letzten zwei Jahrzehnten wurden jedoch verschiedene Methoden einer nur regionalen Antikoagulation mit Citrat entwickelt, um eine möglichst effektive Antikoagulation unter Vermeidung systemischer Effekte zu erzielen.
Regionale Citratantikoagulation
Citrat, in den extrakorporalen Kreislauf gegeben, verursacht dort eine Antikoagulation über eine Chelatierung ionisierten Calciums. Der damit verbundene Abfall des ionisierten Calciums (Abbildung 2) bewirkt eine ausgeprägte Antikoagulation, da viele Schritte in der Gerinnungskaskade nur bei ausreichender Konzentration ionisierten Calciums ablaufen können. Die gebildeten Citrat-Calcium-Komplexe werden partiell über die RRT entfernt, partiell auch im systemischen Kreislauf verdünnt. Systemisch wird Citrat schnell über den Krebs-Zyklus zu Bikarbonat und iCa metabolisiert, das iCa steht damit systemisch wieder zur Verfügung. Trotzdem auftretende extrakorporale Calciumverluste durch Entfernung der Citrat-Calcium-Komplexe durch Dialyse/Filtration werden substituiert. Über die Antikoagulation hinaus scheint Citrat auch eine durch Calcium vermittelte Aktivierung inflammatorischer Zellen im extrakorporalen Kreislauf zu verhindern und damit ebenfalls zu einer Reduktion eines „inflammatorischen Traumas“ einer Nierenersatztherapie beizutragen (Böhler J et al., J Am Soc Nephrol 1996; 7:234-241; Bos JC et al. Nephrol Dial Transplant 1997; 12:1387-1393). Tabelle 1 fasst die denkbaren Vorteile der regionalen Antikoagulation mit Citrat zusammen.
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