INTENSIV-News
Der alveoläre Sauerstoff-Partialdruck und CO2-Partialdruck und damit
auch die Ziel- und Korrekturparameter der mechanischen Beatmung (der
arterielle PO2 und PCO2) hängen von der Minutenventilation ab. Um die
beiden Parameter des Gasaustausches im physiologischen Bereich zu
halten, wurden ursprünglich Atemzugvolumina im Bereich von 10-15 ml/kg
empfohlen. Dies besonders bei Patienten, deren Respiration durch einen
hohen Anteil an intrapulmonalem Shunt und Totraumventilation
beeinträchtigt war. An sich fällt ein Großteil solcher Patienten unter
die Definition des akuten Lungenversagens, die 1994 im Rahmen einer
amerikanisch europäischen Konsensuskonferenz erarbeitet wurde. Hierbei
wird zwischen "Acute Lung Injury" (ALI) als leichtere Form des
Lungenversagens und "Acute Respiratory Distress Syndrom" (ARDS) als
schwere Form des akuten Lungenversagens unterschieden. Diese Einteilung
orientiert sich an der Schwere der Gasaustauschstörung (ALI:
PaO2/FiO2<300; ARDS: PaO2/ FiO2<200) unabhängig vom eingestellten
PEEP. Aber gerade bei Patienten mit Lungenveränderungen im Sinn eines
ALI/ ARDS führt diese konventionelle Beatmungsstrategie zu hohen
Beatmungsdrucken (inspiratorischer Spitzendruck und Plateaudruck) und
damit zum Risiko der Lungenüberblähung und Überdehnung (Volutrauma,
Barotrauma). Das stark reduzierte, belüftete Lungenvolumen der ALI/ARDS
Patienten - bedingt durch Ödem, Atelektasen und Konsolidierung des
Lungenparenchyms - ist maßgeblich an dieser atemmechanischen Veränderung
beteiligt. In diesem Zusammenhang wurde der sehr anschauliche Begriff
"Babylung" geprägt (siehe Abb. 2). Unter diesen von der Physiologie
stark abweichenden atemmechanischen Voraussetzungen macht es daher
durchaus Sinn, bei der Wahl der Atemstrategie, die Ziele des optimalen
Gasaustausches gegen das Risiko des Baro- und/oder Volutrauma abzuwägen.
Erste klinische Hinweise, dass eine Beatmung mit niedrigem
Atemzugvolumen (VT) und inspiratorischem Drucklimit lungenprotektiv
wirken kann, zeigen zwei kleine, nicht kontrollierte Studien an
insgesamt hundert ARDS-Patienten zu Beginn der neunziger Jahre. Diese
beiden Studienpopulationen wiesen eine signifikant niedrigere
Spitalsmortalität auf, als auf Basis des APACHE II Scores für diese
Patienten errechnet wurde (16% vs. 39.6% und 26.4% vs. 53.3%). Parallel
dazu konnte in vielen tierexperimentellen Untersuchungen gezeigt werden,
dass Überdehnung des Lungen-parenchyms zu vielen mit ALI/ARDS
vergesellschafteten Manifestationen führt: Inflammation, verringerte
Surfactant-Aktivität, gesteigerte Gefäßpermeabilität, etc. Als zweiter
atemmechanisch-relevanter Parameter in der Pathogenese des
beatmungsinduzierten Lungentraumas kristallisierte sich das
endexpiratorische Lungenvolumen heraus. Zu niedriger PEEP führt zu einer
Zunahme der mechanischen Belastung der kleinen Atemwege bedingt durch
zyklische Eröffnung und Kollaps der Alveolen. Zusätzlich kommt es in den
Übergangszonen zwischen Atelektasen und belüfteten Lungenarealen zu
einer Zunahme der Scherkräfte. Auch die Bildung von Ödemen und
Atelektasen wird bei niedrigem endexpiratorischem Lungenvolumen
begünstigt. Die aus diesen Pathomechanismen resultierenden
Manifestationsformen sind denen bei Überdehnung der Lunge ähnlich. In
Zusammenschau der unterschiedlichen tierexperimentellen Ansätze lässt
sich sagen, dass die Anwendung einer "Protective Ventilation Strategy"
(niedriges Tidalvolumen in Kombination mit einem inspiratorischem
Drucklimit sowie ein ausreichend hohes endexpiratorisches Lungenvolumen
(PEEP) zu einer deutlichen Reduktion des beatmungsbedingten
Lungentraumas führt.
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