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Antibiotikastrategien auf der Intensivstation


Die antimikrobielle Resistenz ist ein zunehmendes Problem im Rahmen von nosokomialen Infektionen auf Intensivstationen. Mehr als 70% der Bakterien, die in US-Spitälern isoliert wurden sind zumindest gegenüber einem Antibiotikum resistent. Die geschätzten Kosten der Resistenz in den Vereinigten Staaten betragen jährlich bis zu 30 Milliarden Dollar.

Derzeit herrscht in der Literatur weitgehend Konsens darüber, dass Antibiotika übermäßig im Spital verabreicht werden. In der EPIC-Studie erhielten über 60% der Intensivpatienten zumindest ein Antibiotikum. Dieser übermäßige Verbrauch antimikrobieller Substanzen ist einer der Wegbereiter für Resistenzentwicklung. Schätzungen ergeben aber auch, dass bis zu 50% der antimikrobiellen Therapien hinsichtlich des Keimspektrums, der Dosierung, aber auch der Therapiedauer inadäquat sind. In einer erst kürzlich veröffentlichten Studie von Zaidi et al. in den Archives of Medical Research konnte gezeigt werden, dass bei 75% der Behandlungen der Respirator-Pneumonie die antimikrobielle Therapie inadäquat war und die zu erwartende Mortalität von 18% auf tatsächlich 83% anstieg.

Prinzipiell sollte von folgenden Voraussetzungen ausgegangen werden:

1. Nicht jeder Patient, der fiebert hat eine Infektion und benötigt daher eine antimikrobielle Therapie. Es gibt zahlreiche andere Ursachen für einen Status febrilis bei Intensivpatienten, die in die Differenzialdiagnose inkludiert werden müssen.

2. Nicht jeder Patient, der Zeichen der Inflammation hat, muss gezwungenermaßen eine Infektion haben. Differenzialdiagnostisch sollten andere Ursachen in Erwägung gezogen werden. In diesem Zusammenhang ist auch eine Publikation von Shing N. et al. (Am J Respir Crit Care Med 2000) erwähnenswert, die berichtet, dass ein Großteil der Antibiotika auf der Intensivstation bei Infiltraten verwendet werden, die nicht durch eine Pneumonie verursacht sind (Ödem, Atelektasen, etc.).

Es muss betont werden, dass eine einmal begonnene antimikrobielle Therapie zumindest nach 3-4 Tagen reevaluiert werden sollte. Es konnte nämlich gezeigt werden, dass eine einmal begonnene antimikrobielle Therapie bei Verdacht auf Respiratorpneumonie im Durchschnitt für 4-20 Tage weitergeführt wurde, unabhängig ob ein Infiltrat vorhanden war oder nicht. Hilfreich könnte in diesem Zusammenhang ein Antibiotika-Audit, wie in Tab. 1 angeführt sein. Wenn nach diesen Kriterien die Antibiotikaapplikation evaluiert wird, könnte viel an Therapie sinnvoll eingespart werden. Um überhaupt über eine rationale antimikrobielle Therapie nachdenken zu können, muss das Resistenzmuster der Station bekannt sein. Daher ist es wichtig, dass mikrobiologische Proben abgenommen werden. Deren Wert steht sicherlich außer Frage, allerdings nur dann, wenn eine adäquate Aufarbeitung gewährleistet ist. In der Literatur finden sich Angaben, dass Routinekulturen nur sehr schwachen Aussagewert haben. Wenn das Ergebnis von Kulturen vorliegt, sollte die antimikrobielle Therapie auch danach, natürlich mit Rücksicht auf die Klinik, modifiziert werden. In einer Studie von Maraha B (Clin Microbiol Infect 2000) wird berichtet, dass bei 90% der Patienten mit Infektionsverdacht eine mikrobiologische Abnahme durchgeführt wurde. 58% zeigten ein relevantes Wachstum, die antimikrobielle Therapie wurde aber nur in 32% der Fälle beeinflusst und nur bei 11% mit negativen Kulturen wurde die antimikrobielle Therapie beendet. Was nun das richtige Antibiotikum für den individuellen Patienten ist, hängt aber sicherlich nicht nur vom mikrobiologischen Resistenzmuster ab sondern auch von anderen Faktoren wie Nierenfunktion, Hämodynamik, Leberfunktion usw. Daher ist die antimikrobielle Therapie an der ICU eine Herausforderung für Intensivmediziner, Infektiologen und Mikrobiologen. Die Zeit, dass die antimikrobielle Therapie einen Zufallsakt darstellt sollte vorbei sein. Zunehmende Resistenzen und auch der Kostendruck zwingen die Intensivmediziner, sich Strategien zurecht zulegen.

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Tags: intensiv-news infektiologie infektionen antiinfektiva 

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