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Nierenversagen und Beatmung

Das "duo" infernal?


Effect of acute kidney injury on weaning from mechanical ventilation in critically ill patients.

Vieira JM Jr, Castro I, Curvello-Neto A, et al.                                                                                                              Crit Care Med 2007; 35:316-7

Oncologic Intensive Care Unit, Hospital do Cancer de Sao Paulo, Sao Paulo, Brazil.

OBJECTIVE: Acute kidney injury (AKI) worsens outcome in various scenarios. We sought to investigate whether the occurrence of AKI has any effect on weaning from mechanical ventilation.
DESIGN AND SETTING: Observational, retrospective study in a 23-bed medical/surgical intensive care unit (ICU) in a cancer hospital from January to December 2003.
PATIENTS: The inclusion criterion was invasive mechanical ventilation for > or =48 hrs. AKI was defined as at least one measurement of serum creatinine of > or =1.5 mg/dL during the ICU stay. Patients were then separated into AKI and non-AKI patients (control group). The criterion for weaning was the combination of positive end-expiratory pressure of < or =8 cm H2O, pressure support of < or =10 cm H2O and Fio2 of < or =0.4, with spontaneous breathing. The primary end point was duration of weaning and the secondary end points were rate of weaning failure, total length of mechanical ventilation, length of stay in the ICU and ICU mortality.
RESULTS: A total of 140 patients were studied: 93 with AKI and 47 controls. The groups were similar in regard to age, sex and type of tumor. Diagnosis of acute lung injury/acute respiratory distress syndrome as cause of respiratory failure and Simplified Acute Physiology Score II at admission did not differ between groups. During ICU stay, AKI patients had markers of more severe disease: Increased occurrence of severe sepsis or septic shock, higher number of antibiotics and longer use of vasoactive drugs. The median (interquartile range) duration of mechanical ventilation (10 [6-17] vs. 7 [2-12] days, p = .017) and duration of weaning from mechanical ventilation (41 [16-97] vs. 21 [7-33.5] hrs, p = .018) were longer in AKI patients compared with control patients. Cox regression analysis demonstrated that a > or =85% increase in baseline serum creatinine (hazard rate, 2.30; 95% confidence interval, 1.30-4.08), oliguria (hazard rate, 2.51; 95% confidence interval, 1.24-5.08), and the number of antibiotics (hazard rate, 2.64; 95% confidence interval, 1.51-4.63) predicted longer duration of weaning. The length of ICU stay and ICU mortality rate were significantly greater in the AKI patients. After adjusting for Simplified Acute Physiology Score II, oliguria (odds ratio, 30.8; 95% confidence interval, 7.7-123.0) remained as a strong risk factor for mortality.
CONCLUSIONS: This study shows that renal dysfunction has serious consequences in the duration of mechanical ventilation, weaning from mechanical ventilation and mortality in critically ill cancer patients.


Vielfach hört man unter Intensivisten die Meinung, dass man einen Beatmungspatienten möglichst "trocken fahren" muss, um die Beatmung zu erleichtern bzw. die Prognose zu verbessern und man dabei auch die Ausbildung eines akuten Nierenversagens (ANV; modern bzw. modisch oft als "AKI = acute kidney injury" benannt) in Kauf nehmen kann. Dabei wird von zwei möglicherweise plausiblen, keineswegs aber zutreffenden Annahmen ausgegangen; einerseits von der Ansicht, dass jede Volumenreduktion bei einem Beatmungspatienten zu einer linearen Reduktion des Lungenwassers führt und andererseits von der Meinung, dass selbst, wenn durch die Volumenreduktion ein ANV induziert wird, dies unbedeutend sei, da die Nierenfunktion bei Intensivpatienten mit modernen Nierenersatzverfahren ohnehin leicht überbrückt werden kann.

Beiden Annahmen muss dezidiert widersprochen werden. Bezüglich des ANV hat eine neue Studie aus Brasilien (siehe Abstract) bei vorwiegend onkologischen Intensivpatienten gezeigt, dass ein ANV für einen Beatmungspatienten mit drastischen Konsequenzen vergesellschaftet ist (Viera JM; Crit Care Med 2007, 35:184).

Ein ANV wurde in dieser Untersuchung sehr moderat als Erhöhung des Serum-Kreatinin über 1.5 mg/dl, zumindest einmal während des Aufenthaltes, definiert, hat also keineswegs nur Nierenersatzpflichtigkeit vorausgesetzt (nur 24% dieser ANV-Patienten benötigen eine Nierenersatztherapie). Patienten mit ANV hatten initial einen vergleichbaren Schweregrad der Erkrankung (beurteilt mittels APACHE-II-Score), im Weiteren aber einen wesentlich schwereren Krankheitsverlauf: Sie zeigten ein vermehrtes Auftreten von Komplikationen (Tabelle), mussten länger beatmet werden (10 gegenüber 7 Tage), benötigten einen höheren FiO2 bzw. PEEP und konnten nur verzögert von der Beatmungstherapie entwöhnt werden (Entwöhnungsdauer 41 h gegenüber 21 h). Bei den sonstigen Komplikationen waren insbesondere auffällig die erhöhte Rate an Sepsis/septischem Schock, der höhere Antibiotikaverbrauch und der gesteigerte Bedarf an Vasopressoren.

Aufenthaltsdauer und Sterberate waren bei den beatmeten Patienten mit ANV wesentlich höher (67 gegenüber 43%). Das Ausmaß der Nierenfunktionseinschränkung war eng mit der Mortalität korreliert, von den Patienten, die eine Nierenersatztherapie benötigten, sind 95% (!) verstorben. Für die Prognose nach dem Intensivaufenthalt (Versterben noch im Spital bzw. nach 12 Monaten) hatte das ANV keinen weiteren Einfluss bzw. überlebten sogar eher mehr der ursprünglichen ANV-Patienten (37 gegenüber 29%, n. s.).

Diese (mit dem retrospektiven Design, mangelhafte Stratifizierung nach Schweregrad der Erkrankung, problematische Kontrollgruppe etc.) sicherlich sehr anfechtbare Untersuchung von Vieira und Mitarbeitern hat trotz ihrer Schwächen eine klinisch sehr wichtige Botschaft: Ein ANV ist bei einem Intensivpatienten eine äußerst gefährliche Komplikation, die Krankheitsverlauf und Prognose des Patienten wesentlich beeinflusst und daher, wenn irgendmöglich vermieden werden muss. Auch ist sie eine der ersten Untersuchungen, die diesen sehr beeindruckenden Einfluss eines AKI auf Beatmung bzw. Weaning klinisch so systematisch analysiert hat.

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Tags: intensiv-news nephrologie pneumologie beatmung nierenversagen 

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