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Corticosteroide beim ARDS

Warum, wann, wie lange?


Das akute Atemnotsyndrom der Erwachsenen ("adult respiratory distress syndrome” - ARDS) tritt bei gewissen Patienten nach einer schweren akuten Erkrankung - z.B. Sepsis, Pankreatitis, ausgedehnte Pneumonie - oder nach Polytrauma ein. Pathophysiologisch handelt es sich dabei um eine akute inflammatorische Reaktion des Lungengewebes mit konsekutivem Lungenödem und meist markanter respiratorischer Insuffizienz (Ware LB, N Engl J Med 2000; 342:1334-1349). Zelluläre und humorale Mediatoren (Makrophagen, Granulozyten, Zytokine, etc.) sind maßgeblich an strukturellen und funktionellen Veränderungen beteiligt.

Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass antiinflammatorische Behandlungsstrategien, speziell mit Corticosteroiden, seit geraumer Zeit diskutiert und erforscht wurden. Eine am 20. April 2006 im New England Journal of Medicine erschienene multizentrische klinische Studie und ein begleitendes Editorial haben dem Thema zu neuer Aktualität verholfen (Steinberg KP, N Engl J Med 2006; 354:1671-1684; Suter PM, N Engl J Med 2006; 354:1739-1743).

Das ARDS ist typischerweise gekennzeichnet durch eine Akutphase mit diesen markanten inflammatorischen Veränderungen der Lunge. In einem nach Tagen bis Wochen dazukommenden subakuten Stadium gesellen sich beginnende Gewebsfibrose und weitere Heilungsprozesse dazu. Die assoziierte arterielle Hypoxämie ist meist lebensbedrohlich; eine effiziente medikamentöse Therapie gibt es heute nicht.

Corticosteroide haben sich in der Akutphase des ARDS als ineffizient erwiesen (Bernard GR, N Engl J Med 1987; 317:1565-1570). In späteren Stadien wurden vereinzelt Erfolge beschrieben (Meduri GU, JAMA 1998; 280:159-165). Die potenziellen Nebeneffekte dieser Therapie sind signifikant: Verlängerte neuromuskuläre Lähmungen, Superinfektion und Sepsis.

Warum könnten Corticosteroide in subakuten und/oder chronischen Phasen des ARDS wirksam sein? Diese Stoffe haben starke anti-inflammatorische Effekte durch ihre Wirkung auf mehrere "signalling pathways”-Wege der Transmission von Signalen auf intrazellulärer und intranuklearer Ebene (Abbildung). Sie können Gene abschalten, welche durch den inflammatorischen Prozess aktiviert wurden und verantwortlich sind für die Synthese von proinflammatorischen Substanzen (z.B. Zytokine, Chemokine, Adhäsionsmoleküle, inflammatorische Enzyme und Rezeptoren). Andere Gene, welche antiinflammatorische Mediatoren bestimmen, z.B. Interleukin 10, den Inhibitor des "nuclear factor kB”, den Antagonisten von Interleukin 1, werden von Corticosteroiden aktiviert. Da die "überschießende” Gewebs-Inflammation für die Funktionsstörung der Lunge direkt verantwortlich scheint, könnte von einer anti-inflammatorischen Strategie ein markanter therapeutischer Nutzen erwartet werden. Dies könnte ermöglichen, geringere inspiratorische Sauerstoffkonzentrationen und weniger aggressive Beatmungsmethoden, d. h. tiefere Atemzugvolumen und Atemwegsdrucke anzuwenden, welche die Prognose signifikant beeinflussen können (Ranieri VM, JAMA 1999; 282:54-61; The ARDS network, N Engl J Med 2000; 342:1302-1308).

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Tags: intensiv-news pneumologie ards kortikosteroide 

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