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Kann auf die Messung des intrakraniellen Drucks nach schwerem Schädel-Hirn-Trauma verzichtet werden?


Effect of intracranial pressure monitoring and targeted intensive care on functional outcome after severe head injury.

Cremer OL, van Dijk GW, van Wensen E, et al.                                                                                                Crit Care Med 2005; 33:2207-2213

Division of Perioperative Care and Emergency Medicine, Department of Neurology, University Medical Center, Utrecht, The Netherlands.

OBJECTIVE: Intracranial hypertension after severe head injury is associated with case fatality, but there is no sound evidence that monitoring of intracranial pressure (ICP) and targeted management of cerebral perfusion pressure (CPP) improve outcome, despite widespread recommendation by experts in the field. The purpose was to determine the effect of ICP/CPP-targeted intensive care on functional outcome and therapy intensity levels after severe head injury.
DESIGN: Retrospective cohort study with prospective assessment of outcome.
SETTING: Two level I trauma centers in The Netherlands from 1996 to 2001.
PATIENTS: Three hundred thirty-three patients who had survived and remained comatose for >24 hrs, from a total of 685 consecutive severely head-injured adults.
INTERVENTIONS: In center A (supportive intensive care), mean arterial pressure was maintained at approximately 90 mm Hg and therapeutic interventions were based on clinical observations and computed tomography findings. In center B (ICP/CPP-targeted intensive care), management was aimed at maintaining ICP <20 mm Hg and CPP >70 mm Hg. Allocation to either trauma center was solely based on the site of the accident.
MESUREMENTS AND MAIN RESULTS: We measured extended Glasgow Outcome Scale after >/=12 months. Patient characteristics were well balanced between the centers. ICP monitoring was used in zero of 122 (0%) and 142 of 211 (67%) patients in centers A and B, respectively. In-hospital mortality rate was 41 (34%) vs. 69 (33%; p = .87). The odds ratio for a more favorable functional outcome following ICP/CPP-targeted therapy was 0.95 (95% confidence interval, 0.62-1.44). This result remained after adjustment for potential confounders. Sedatives, vasopressors, mannitol and barbiturates were much more frequently used in center B (all p < .01). The median number of days on ventilator support in survivors was 5 (25th-75th percentile, 2-9) in center A vs. 12 (7-19) in center B (p < .001).
CONCLUSIONS: ICP/CPP-targeted intensive care results in prolonged mechanical ventilation and increased levels of therapy intensity, without evidence for improved outcome in patients who survive beyond 24 hrs following severe head injury.


Das schwere Schädel-Hirn-Trauma (SHT) ist ein akutes, einschneidendes, überlebens- und lebensbestimmendes Ereignis im Leben vor allem junger und gesunder Menschen. Spätfolgen mit ihren sozio-ökonomischen und neuro-psychologischen Konsequenzen sollen durch adäquate Therapien in der Frühphase vermieden bzw. gemindert werden.
Obwohl viele Details zur Optimierung der Behandlungskonzepte bei Patienten mit schwerem SHT unklar sind, haben die vergangenen Jahrzehnte Klarheit bzgl. der Vermeidung schädigender Einflüsse geschaffen. In diesem Zusammenhang sollen die Hypoxie, Hypokapnie, Hypotonie, Hyperthermie, unkontrollierte Hypothermie, sowie Hyperglykämie vermieden bzw. korrigiert werden. Dabei kann eine strukturell und funktionell nachteilige intrakranielle Hypertension nur dann erkannt werden, wenn eine spezielle Hirndrucksonde eingeführt und der intrakranielle Druck (ICP) gemessen wird. Die klinischen Zeichen (Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Mydriasis oder Miosis, Bradykardie, arterielle Hypertension, Nystagmus) eignen sich nicht für eine qualitative Bewertung der zugrundeliegenden intrakraniellen Abläufe (Abbildung 1).

In der vorliegenden retrospektiven Arbeit haben sich Cremer und Mitarbeiter dem umstrittenen Thema der Notwendigkeit der Überwachung des ICP bei Patienten nach schwerem SHT gewidmet und sind - beim Vergleich von zwei Behandlungszentren, eines mit, eines ohne ICP-Monitoring - zum Schluss gekommen, dass das ICP Monitoring keinen Vorteil bietet und eher zu einer Hospitalisationsverlängerung und zu erhöhten Kosten führt. Dies steht im Gegensatz zu anderen retrospektiven Untersuchungen, die eine signifikante Mortalitätsreduktion und Verkürzung der Hospitalisationsdauer beschreiben (Bulger et al., Crit Care Med 2002; 30:1870; Fakhry et al., J Trauma 2004; 56:492). Auf den ersten Blick wäre die logische Konsequenz, die Überwachung des ICP nach schwerem SHT aus dem Diagnostik- und Behandlungskonzept zu streichen. Betrachtet man das gewählte Studiendesign genauer, so erkennt man zahlreiche Unstimmigkeiten, die diese Schlussfolgerung nicht zulassen.

Die formulierte Arbeitshypothese dient der Untersuchung der Notwendigkeit der ICP-Überwachung, welche jedoch mit der nachgeschalteten ICP-gesteuerten Therapie in den beiden Zentren differierend verknüpft ist. Die Entscheidungen bzgl. der Therapieanpassung hätten im Zentrum B (ICP-gesteuerte Therapie) denen des Zentrums A (keine ICP Sonde, CT- und Klinik-gesteuerte Therapie) entsprechen müssen, die Patienten in der ICP-überwachten Gruppe hätten nicht anders/ aggressiver therapiert werden dürfen. Streng genommen hätte der ICP-Wert nur dokumentiert werden dürfen. Somit lässt sich nicht ermitteln, welche der Patienten wegen unzureichender Therapieeskalation (Zentrum A) und welche Patienten aufgrund zu aggressiver Interventionen (Zentrum B) verstorben sind.

Zudem wurden Patienten aus zwei verschiedenen Krankenhäusern mit unterschiedlichem Einzugsgebiet und differierenden personellen und technischen Kompetenzen (A: akademisches Krankenhaus vs. B: Universitätsklinik) über einen Zeitraum von 5.5 Jahren rekrutiert. Diese verschiedenen Rahmenbedingungen erschweren eine Vergleichbarkeit der Patienten, da neben dem Ausbildungsstand auch mit paramedizinischen Einschränkungen (unterschiedliches Budget) zu rechnen ist.

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Tags: intensiv-news neurologie schädel-hirn-trauma intrakraniell icp 

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