Die neuen ERC-Reanimationsleitlinien:

Keine Revolution, wohl aber eine Evolution, so kann man die aktuell im Oktober 2015 publizierten europäischen Leitlinien des European Resuscita­tion Councils (ERC) zur Wiederbelebung bezeichnen (Resuscitation 2015; 95:1). Der Reanimationsalgorithmus aus dem Jahr 2010 ist grundsätzlich gleich geblieben, es wurden aber lang vermisste Themen rund um die Wiederbelebung aufgegriffen und einige Textpassagen mit übersichtlichen Algorithmen ergänzt.

Die eigentliche Neuerung ist aber die erstmalige Verwendung des GRADE-Systems zur Erstellung der Leitlinien. GRADE steht für „Grades of Recommendation, Assessment, Development and Evaluation” und ist ein System, mit dem Studiendaten und die Aussagekraft der darauf basierenden Empfehlungen beurteilt werden können. Dieses wurde seit dem Jahr 2000 von einer unabhängigen Gruppe internationaler Wissenschaftlern entwickelt und wird in der Zwischenzeit von vielen medizinischen Fachgesellschaften wie der American Heart Association oder UpToDate angewandt.

Neues Kapitel über Erste Hilfe

Das erste Mal seit Bestehen des ERC wird dem Thema „Erste Hilfe“ ein eigenes Kapitel gewidmet. Ein Team von Vertretern verschiedener Rettungsorganisationen hat sich dieser Aufgabe angenommen und 22 relevante Erste-Hilfe-Themen nach GRADE evaluiert, wie zum Beispiel die korrekte Lagerung von Notfallpatienten, die Versorgung dislozierter Frakturen, die Erkennung eines Schlaganfalls oder die Behandlung einer Hypoglykämie. Die Kapitel verstehen sich nicht als vollständiges „Erste Hilfe Kompendium“, sondern als eine erste Basis wissenschaftlich evaluierter „Erste-Hilfe-Themen“. Bei fehlender Datenlage gibt es auf manche Fragen keine eindeutigen Antworten bzw. wird lediglich eine Expertenmeinung abgegeben und als „Good Practice Point“ gekennzeichnet. Rettungsorganisationen wie das britische Rote Kreuz haben diese neuen „Erste-Hilfe-Themen“ begrüßt und deren Integration in ihre Ausbildungsrichtlinien angekündigt.