INTENSIV-News
Menschen im Wachkoma werden häufig falsch eingeschätzt. „Können Sie mir
etwas darüber sagen, wie Ihre Erfahrung ist, wann meine Frau wieder
aufwacht? Wie lange wird das dauern?“ Die häufige Antwort: „Sie ist ja
jetzt erst seit ein paar Tagen bei uns, sie muss sich erstmal an das
neue Umfeld gewöhnen und wir brauchen etwas Zeit, um sie
kennenzulernen.“ Die Aussage ist ehrlich, beantwortet aber nicht die
Frage.
Frau K. erleidet mit 29 Jahren bei einem Autounfall ein
schweres Schädel-Hirn-Trauma. Nach einigen Wochen auf der
Intensivstation und einer durchgeführten Entlastungstrepanation ist ihr
Kreislauf stabil, der Respirator überflüssig und die Sedierung wird
ausgeschlichen. Ihre Familie kommt regelmäßig zu Besuch, es wird viel
mit ihr geredet, es wird gelacht und geweint, sie steht dabei immer im
Mittelpunkt. Die Augen von Frau K. sind nach einiger Zeit zwar geöffnet,
der Blick aber schweift ins Leere, der Körper ist schlaff gelähmt, sie
führt keine Bewegungen aus. Bei Pflegehandlungen, wie auch während der
Besuchszeiten ist ihre Reaktion auf verschiedene Situationen gleich: Sie
ist nicht erkennbar - weder mimisch noch gestisch noch vegetativ.
„Ihre Frau liegt im Wachkoma“ wird dem Ehemann gesagt.
Was heißt das? Und wie geht es weiter?
Die
Vorstellung von Wachkoma (Apallisches Syndrom) als ein bewusstloser
Zustand ist veraltet, denn die Praxis, Erfahrungsberichte von ehemaligen
Apallikern und zahlreiche Studien beweisen, dass Menschen mit der
Diagnose Wachkoma überraschend große Bewusstseinsreste aufweisen können.
Ein Problem besteht darin, dass man kaum einschätzen kann, wie bewusst
oder unbewusst die Betroffenen ihre Umgebung wahrnehmen. Die Frage „Wann
wacht jemand wieder auf?“ wirft die nächste Frage auf: „Ab wann ist
jemand wach?“ Eine ausbleibende Reaktion auf äußere Reize bezeugt noch
keine Abwesenheit von Bewusstsein. Wenn ein Lidschluss oder eine kleine
Bewegung nicht adäquat (also auf Aufforderung) durchgeführt werden kann,
heißt das nicht zwingend, dass die Betroffenen sich nicht mitteilen
können oder wollen. Anders gesagt: Wenn wir unsere Augen schließen,
können wir trotzdem wach sein. Die Frage nach der richtigen Behandlung
ist - neben bestehenden medizinischen Problemen - hauptsächlich eine
ethische.
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