Themen der aktuellen Ausgaben

 

Ab welchem Hämatokrit sollte ein Patient mit akutem Koronarsyndrom transfundiert werden?


Relationship of blood transfusion and clinical outcomes in patients with acute coronary syndromes.

Rao SV, Jollis JG, Harrington RA, et al.                                                                                                                                 JAMA 2004; 292:1555-62

Duke Clinical Research Institute, Durham, NC 27715, USA.

CONTEXT: It is unclear if blood transfusion in anemic patients with acute coronary syndromes is associated with improved survival.
OBJECTIVE: To determine the association between blood transfusion and mortality among patients with acute coronary syndromes who develop bleeding, anemia, or both during their hospital course.
DESIGN, SETTING AND PATIENTS: We analyzed 24,112 enrollees in 3 large international trials of patients with acute coronary syndromes (the GUSTO IIb, PURSUIT, and PARAGON B trials). Patients were grouped according to whether they received a blood transfusion during the hospitalization. The association between transfusion and outcome was assessed using Cox proportional hazards modeling that incorporated transfusion as a time-dependent covariate and the propensity to receive blood, and a landmark analysis.
MAIN OUTCOME MEASURE: Thirty-day mortality.
RESULTS: Of the patients included, 2401 (10.0%) underwent at least 1 blood transfusion during their hospitalization. Patients who underwent transfusion were older and had more comorbid illness at presentation and also had a significantly higher unadjusted rate of 30-day death (8.00% vs 3.08%; P<.001), myocardial infarction (MI) (25.16% vs 8.16%; P<.001), and death/MI (29.24% vs 10.02%; P<.001) compared with patients who did not undergo transfusion. Using Cox proportional hazards modeling that incorporated transfusion as a time-dependent covariate, transfusion was associated with an increased hazard for 30-day death (adjusted hazard ratio [HR], 3.94; 95% confidence interval [CI], 3.26-4.75) and 30-day death/MI (HR, 2.92; 95% CI, 2.55-3.35). In the landmark analysis that included procedures and bleeding events, transfusion was associated with a trend toward increased mortality. The predicted probability of 30-day death was higher with transfusion at nadir hematocrit values above 25%.
CONCLUSIONS: Blood transfusion in the setting of acute coronary syndromes is associated with higher mortality, and this relationship persists after adjustment for other predictive factors and timing of events. Given the limitations of post hoc analysis of clinical trials data, a randomized trial of transfusion strategies is warranted to resolve the disparity in results between our study and other observational studies. We suggest caution regarding the routine use of blood transfusion to maintain arbitrary hematocrit levels in stable patients with ischemic heart disease.


Die Anämie des koronarkranken Patienten stellt den behandelnden Arzt vor eine schwierige Entscheidung. Soll er in Anbetracht von Rheologie, Transfusionsrisken, Kosten und der Literatur, die Blutsparen empfiehlt, mit der Transfusion zuwarten oder soll er mit Rücksicht auf die myokardiale Sauerstoffversorgung, der unklaren koronaren Reserve des Patienten doch lieber eine Konserve verabreichen?

Nachdem über Jahrzehnte diese Diskussion mit Fallberichten über Zeugen Jehovas, episodische Berichte über Infarkte bei durchaus gar nicht so niedrigen Hämoglobin-Werten und eine große Anzahl von tierexperimentellen Arbeiten geführt wurde, stellte die Studie von Hebert (Crit Care Med 2001; 29:227) erstmals eine Auswertung einer großen Anzahl von koronarkranken Patienten dar. Doch dies war eine post-hoc Analyse und die Schlussfolgerung der Autoren kommt in ihrer Klarheit der Aussage eines Politikers über den Ausschluss von Steuererhöhungen im nächsten Jahr gleich: "Eine restriktive Transfusionsstrategie erscheint im Allgemeinen bei den meisten kritisch kranken Patienten mit kardiovaskulärer Erkrankung sicher zu sein, mit der möglichen Ausnahme von Patienten mit akutem Myokardinfarkt und instabiler Angina". Wu et al. (NEJM 2001; 345:1230) berichten eine Auswertung von 234769 Transfusionen bei älteren Patienten mit frischem Myokardinfarkt und kommen zu dem Schluss, dass ein Hämatokrit von unter 33% eher von Vorteil ist. Nicht nur die Tatsache, dass kaum jemand noch eine Transfusion bei einem Hämatokrit von 33% gibt, hat hier Kritik erzeugt, sondern auch die Inhomogenität der gesammelten Daten. Nicht verwunderlich, beanstanden die Autoren, dass es keine definitive Evidenz für die (zur Zeit gehandhabte) liberale Transfusionspraxis bei anämischen Patienten mit akutem Koronarsyndrom gibt. Einige Kollegen werden an die Arbeit von Smith und Pell (BMJ 2003, 327:1459) erinnert, in der die Autoren nach einem regelrecht durchgeführten evidence-based Prozess mit systematischem Review der Literatur zum Schluss kommen, dass der Gebrauch von Fallschirmen zur Verhinderung von Verletzungen bei Stürzen aus großer Höhe durch keine ausreichende Evidenz gestützt wird und daher nicht empfohlen werden kann. Unsere Fragestellung hat das gleiche Problem: Die Durchführung einer randomisierten, kontrollierten Studie, in der auf die Gabe von Erythrozyten bei anämischen Patienten mit akutem Koronarsyndrom verzichtet wird, ist schwierig und nicht leicht durch eine Ethikkommission zu bekommen.

Doch nicht nur die in der TRICC Studie (Crit Care Med 1998; 26:482) an einem allgemeinen Kollektiv von Intensivpatienten gewonnenen Erkenntnisse deuten darauf hin, dass Transfusionen keineswegs mehr jenen harmlosen Status des, "wenn sie nichts nützen, dann schaden sie wenigstens nicht" haben. Deshalb sind Untersuchungen wie die vorliegende auch wichtig und interessant.

Melden Sie sich an um weiter zu lesen ...

Tags: intensiv-news kardiologie transfusion hämatokrit koronarsyndrom 

© Medicom VerlagsgmbH

 
Medicom

Wir wollen Fachärzte und Pfleger topaktuell und wissenschaftlich fundiert über Studien, fachspezifische Entwicklungen und deren praktische Umsetzung informieren, um sie in ihrer Arbeit und Fortbildung zu unterstützen.

Wählen Sie dazu bitte Ihr Land aus.

  • ÖsterreichÖsterreich
  • ÖsterreichDeutschland
  • ÖsterreichSchweiz
  • ÖsterreichAndere