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Hydrocortison in der Intensivtherapie - nicht nur bei septischem Schock?


Wie Untersuchungen an Patienten im septischen Schock gezeigt haben, greift Hydrocortison in sogenannter Stress-Dosierung sehr komplex in die Immunantwort des Organismus ein. Hydrocortison als das synthetische Äquivalent des Cortisols, dem wichtigsten Steroid der Nebennierenrinde, kontrolliert hierbei eine Vielzahl von Genorten, die vor allem Informationen für die unspezifische Immunität (innate immunity) kodieren. So kann Hydrocortison die De-Novo-Synthese zahlreicher inflammatorischer Peptide (z.B. Zytokine) supprimieren oder auch initiieren (Abbildung 1). Eine Studie von Keh und Mitarbeitern zeigte, dass Hydrocortison die Entzündungsantwort im septischen Schock günstig moduliert und die zelluläre Infektabwehr verbessert [Keh D, Am J Resp Crit Care Med 2003; 167:512; Bornstein SR, Am J Resp Crit Care Med 2003; 167:485].

Obwohl bereits heute die Gabe von Hydrocortison im septischen Schock generell empfohlen wird [Dellinger RP, Crit Care Med 2004; 32:858], bleiben auch nach der französischen Multizenter-Studie von Annane und Mitarbeitern eine Reihe von Fragen offen [Annane D, JAMA 2002; 288:862]. So muss auf Grund statistischer Spitzfindigkeiten und Probleme in der Annane-Studie an einem größeren Kollektiv der Effekt von Hydrocortison auf die Überlebensrate im septischen Schock nochmals überprüft werden. Ferner stellt sich die Frage nach dem Sinn und der Notwendigkeit der zusätzlichen Gabe von Fludrocortison. Hydrocortison selbst besitzt mineralocorticoide Wirkungen. Bei längerer Therapiedauer und unter kontinuierlicher Gabe lassen sich manchmal Zeichen eines "Aldosteronismus" beobachten, was auf eine ausreichende mineralocorticoide Wirkung von Hydrocortison schließen lässt. Da zudem im septischen Schock die Bioverfügbarkeit von peroral appliziertem Fludrocortison wahrscheinlich gering ist, kann nach Meinung einiger Experten auf Fludrocortison auch verzichtet werden, jedoch ist dies bislang nicht untersucht.

Eine weitere wichtige Frage ist, ob die Gabe von Hydrocortison im septischen Schock vom Ergebnis eines ACTH-Testes abhängig gemacht werden sollte. Wie Annane in seiner Studie fand, profitieren nur Patienten mit einer sogenannten relativen Nebennierenrindeninsuffizienz von Hydrocortison [Annane D, JAMA 2002; 288:862]. Nach seiner Auffassung liegt eine relative Nebennierenrindeninsuffizienz im septischen Schock dann vor, wenn ein Patient im ACTH-Test einen unzureichenden Cortisol-Anstieg (£ 9 µg/dl) zeigt. Das Problem ist nur, dass dieser Schwellenwert eine unbefriedigende Sensitivität und Spezifität in einer vorgeschalteten Studie gezeigt hat [Annane D, JAMA 2000; 283:1038]. Ferner sind Messungen des totalen Cortisols gerade im septischen Schock sehr variabel und vom jeweilig verwendeten Cortisol-Assay abhängig (eigene Daten). Deshalb wird gegenwärtig der ACTH-Test nicht zwingend empfohlen. In keinem Fall sollte die Indikation für low-dose Hydrocortison nach dem Ergebnis des ACTH-Testes gestellt werden [Dellinger RP, Crit Care Med 2004; 32:858]. Diese offenen Fragen soll das mit Mitteln der Europäischen Kommission geförderte Projekt CORTICUS beantworten. In dieser Interventionsstudie wird an einem Kollektiv von etwa 500 Patienten die Gabe von Hydrocortison in sogenannter Stress-Dosierung überprüft. Primäres Studienendziel ist der Nachweis der Reduktion der Sterblichkeit bei Patienten mit relativer Nebennierenrindeninsuffizienz. Hierbei sollen Methoden der Cortisol-Messungen harmonisiert werden, um generelle Empfehlungen für das passende Zielkollektiv zu erarbeiten. Auf Fludrocortison wurde verzichtet, Hydrocortison wird schrittweise aus der Therapie genommen.

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Tags: intensiv-news sepsis septischer schock hydrokortison 

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