INTENSIV-News
Fehler sind in der Medizin häufig und die damit verbundene Morbidität, Letalität und ökonomischen Auswirkungen sind beträchtlich. Epidemiologische Daten aus den USA berichten von 44.000 bis 98.000 Todesfällen jährlich infolge vermeidbarer medizinischer und organisatorischer Fehler und Zwischenfälle (Kohn et al., To err is human: building a safer health system. 1999; National Academy Press). Die Häufigkeit eines Fehlers, Zwischenfalls oder unerwünschten Ereignisses ist dabei, neben anderen Faktoren, von der Intensität der geleisteten Therapie und Pflege, dem Schweregrad der Erkrankung der Patienten und der Komplexität der organisatorischen Abläufe abhängig (Weingart et al., BMJ 2000:774). Somit zählt die hochkomplexe Intensivmedizin zu einem der fehleranfälligsten Bereiche der stationären Krankenversorgung.
In jedem Qualitätssystem stellen Handlungsanweisungen für den Umgang mit unerwünschten Ereignissen, d. h. Fehlern und Zwischenfällen, Schlüsselelemente der Qualitätssicherung dar. Andere Hochsicherheitsbereiche – die eine geringere als die zufällig auftretende Fehlerrate aufweisen – wie z.B. Atomkraftwerke und die kommerzielle Luftfahrt, sind in ständiger Bereitschaft, Fehler und unerwünschte Ereignisse zu erkennen und frühzeitig Gegenmaßnahmen einzuleiten (Reason, BMJ 2000:768).
Medizinisches Fachpersonal ist hingegen nur unzureichend für die Möglichkeit und Häufigkeit von Fehlern in ihrem eigenen Handeln sensibilisiert. Nach den Ergebnissen einer kürzlich in amerikanischen Universitätskliniken durchgeführten Befragung verneinten 30% der im intensivmedizinischen Bereich beschäftigten Pflegekräfte und Ärzte das Auftreten von Fehlern im Rahmen ihrer Tätigkeiten. Zusätzlich beklagte die Krankenhausverwaltung einen völlig unzureichenden Umgang mit aufgetretenen Fehlern und Zwischenfällen in ihren Einrichtungen (Sexton et al., BMJ 2000:745).
Fehlertheorie und Fehlerphilosophie
Fehler
und Zwischenfälle resultieren aus psychologischen und physiologischen
Unzulänglichkeiten des einzelnen Individuums (Reason, Philos Trans R Soc
Lond B Biol Sci 1990: 475). Nicht jeder Fehler führt jedoch
zwangsläufig zu einem Missgeschick oder Zwischenfall. Die klinische
Fehlerforschung unterteilt Fehler und ihre Folgen entsprechend
verschiedener Ausprägungsgrade (Abbildung 1). Die tatsächlichen
Zwischenfälle mit Folgen für den Patienten stellen hierbei nur die
Spitze des Eisberges dar. Viel häufiger ereignen sich, meist unbemerkt,
d. h. unterhalb der Wasseroberfläche und für den Patienten letztlich
folgenlos, Missgeschicke oder beinahe Missgeschicke.
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