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Das "Open-Lung"-Konzept

Was heißt "offen"?


In den vergangenen zwei Jahrzehnten wurden wesentliche Erkenntnisse über die Mechanismen der Lungenschädigung gewonnen, die die Beatmungstherapie von Patienten mit Adult-Respiratory-Distress-Syndrome (ARDS) grundlegend verändert haben. Beispielsweise betont das sog. "Open-Lung"-Konzept die zyklische Rekrutierung und Derekrutierung der Lunge als vorwiegenden Schädigungsmechanismus und zielt darauf ab, die Gewebsschädigung mittels Öffnung der Lunge durch Rekrutierungsmanöver und erhöhte PEEP-Werte zu minimieren (Int Care Med 1992; 18:319-321). Bei der Überprüfung der Grundlagen dieses Ansatzes der "offenen" Lunge möchte ich auf die unklare Bedeutung des Terminus "offen" hinweisen und argumentiere, dass bei Patienten mit Lungenschädigung die Derekrutierung eher durch Überflutung als - wie bislang meist behauptet - durch Kollaps der Alveolen zu Stande kommt.

Aus der Analyse von Lungen-CT-Bildern, aus der Druckvolumenkurve (PV) der Lunge, aus histologischen Untersuchungen des Lungengewebes und aus Parametern des pulmonalen Gasaustausches wurde abgeleitet, welche Auswirkungen verschiedene Formen des Beatmungsmodus auf die regionale Lungenfunktion bei ARDS-Patienten haben. Die herkömmliche Meinung besagt, dass das Lungengewicht durch Ödem erhöht wird. Folge ist der Kollaps abhängiger Lungenregionen. Die Schädigung von Lungengewebe erfolgt durch mechanische Belastung des Parenchym um atelektatische Regionen, sowie durch Scherkräfte, die die Öffnung kollabierter Atemwege und Alveolen begleiten.

Diese konventionelle Sicht über regionale Mechanismen der Lungenschädigung basiert auf drei wesentlichen Annahmen:

1) Das Lungengewicht ist ein bestimmender Faktor für die topographische Verteilung des regionalen Volumens;
2) der Luft/Wasser-Gehalt einer CT-Region (Grauskala der Pixel in einer Region) spiegelt die Größe der Alveolen und Azini der jeweiligen Region wider;
3) die Rekrutierung ist der wichtigste Mechanismus, der für die Veränderung der PV-Kurve des Patienten verantwortlich ist.

Alle diese drei Vermutungen können in Frage gestellt werden.

Ist das Lungengewicht ein entscheidender Faktor für die topographische Verteilung des regionalen Volumens?

Die Verteilung der regionalen Drücke und des Volumens stellt ein Anpassungsproblem zwischen zwei durch Schwerkraft deformierten elastischen Strukturen dar: die Lungen und die Thoraxwand. In dem Ausmaß, in dem die Lunge der Deformation widersteht, unterscheidet sich die Verteilung ihrer Oberflächenkräfte von jener, die ohne Einschränkung ihrer Form zu Stande käme (Handbook of Physiology. Section 3: Volume III: Part I.; Williams and Wilkins Co 1986, p 35-40). Wie das Zwerchfell sind auch das Herz und der Inhalt des Mediastinums die Lunge begrenzende Strukturen, die durch Gravitation bedingte Deformationen und Verschiebungen ausgesetzt sind und dabei die Form der Lunge vorgeben. Ausschlaggebend ist die Wirkung der Schwerkraft auf den Brustkorb, Zwerchfell/Abdomen und das Herz, nicht aber auf die Lungen selbst (Respir Physiol 1971; 12:90-101).

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Tags: intensiv-news pneumologie beatmung ards lungeschädigung lungen-ct 

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