NEPHRO-News
Es gibt gegenwärtig keinen Konsens darüber, ob ein erhöhter Blutdruck
bei Hämodialysepatienten überhaupt gesenkt werden soll und wenn ja,
welche Zielblutdruckwerte in Abhängigkeit von Alter und Komorbidität
angestrebt werden sollen (Agarwal R, Kidney Int 67:1-13, 2005; Foley RN,
Semin Dial 20:518-522, 2007). Schwierigkeiten bei der Definition der
Zielblutdruckwerte beruhen aber auch auf den unterschiedlichen
Empfehlungen, den Blutdruck bei Hämodialysepatienten zu messen: Vor oder
nach Dialysebehandlung, intradialytisch, im Dialyse-freien Intervall
durch Selbstmessung oder ambulantes Blutdruckmonitoring? Ein zweites
Problem beruht auf der hohen Variabilität und geringen
Reproduzierbarkeit der gemessenen Blutdruckwerte (Agarwal R, Clin J Am
Soc Nephrol 1:389-398, 2006; Li Z, Am J Kidney Dis 48:606-615, 2006;
Lacson E jr., Semin Dial 20:510-517, 2007).
Der peridialytische Blutdruck wird in der Regel vom Pflegepersonal
unmittelbar vor und nach der Hämodialysebehandlung gemessen. Diese Form
der Blutdruckmessung unterliegt bei jedem einzelnen Patienten innerhalb
von mehreren Wochen hohen Schwankungen, die Reproduzierbarkeit der so
gemessenen Blutdruckwerte ist gering (Agarwal R, Kidney Int 69:900-906,
2006; Rohrscheib MR, Clin J Am Soc Nephrol 3:1407-1414, 2008). Dennoch
dient diese Form der Blutdruckmessung dem Management der Hypertonie bei
der Mehrzahl der Hämodialysepatienten bis zum heutigen Tag (Sinha AD, Am
J Kidney Dis 54:788-791, 2009).
Die peridialytisch gemessenen
Blutdruckwerte korrelieren nur wenig mit Endorganschäden wie z.B. der
linksventrikulären Hypertrophie oder kardiovaskulär bedingten
Komplikationen (Agarwal R, Hypertension 47:62-68, 2006; Alborzi P, Clin J
Am Soc Nephrol 2:1228-1234, 2007). Komplizierend kommt hinzu, dass
vermehrt intradialytische Blutdruckabfälle beobachtet werden, die per
se einen Risikofaktor für eine erhöhte Morbidität und Mortalität
darstellen, wenn Zielblutdruckwerte, wie ursprünglich von den
NKF-K/DOQI-Guidelines empfohlen (prädialytischer Blutdruck <140/90
mmHg, postdialytischer Blutdruck <130/80 mmHg), angestrebt werden
(Davenport A, Kidney Int 73:759-764, 2007). Umgekehrt fanden Inrig et
al., dass ein erhöhter peridialytisch gemessener systolischer Blutdruck
durchaus signifikant mit einer erhöhten Mortalität innerhalb von 2
Jahren assoziiert sein kann (Inrig JK, Am J Kidney Dis 54:881-890,
2009). Ein Anstieg des peridialytisch gemessenen systolischen Blutdrucks
bei einem individuellen Patienten innerhalb mehrerer
Dialysebehandlungen gilt als Marker für Hypervolämie (Sinha AD, Am J
Kidney Dis 54:788-791, 2009) und sollte daher eine Überprüfung des
Trockengewichtes nach sich ziehen. In der Studie von Inrig et al.
korrelierte der peridialytisch gemessene systolische Blutdruck
allerdings nur wenig mit der Gewichtszunahme im Dialyse-freien
Intervall. Ein verminderter Body Mass Index, ein erniedrigtes
Serum-Albumin (als Ausdruck der Inflammation oder Malnutrition) oder ein
relativ niedriges Serum-Kreatinin (als Ausdruck der verminderten
Muskelmasse) sprechen dafür, dass ein erhöhter peridialytisch gemessener
systolischer Blutdruck ursächlich durch Begleiterkrankungen bedingt
sein kann, die der Abklärung bedürfen (Inrig JK, Am J Kidney Dis
50:108-118, 2007).
Die Qualität der Blutdruckkontrolle wird bei Hämodialysepatienten
entscheidend verbessert, wenn die peridialytische Blutdruckmessung mit
einem intradialytischen Blutdruckmonitoring (d. h. regelmäßig gemessenen
Blutdruckwerten während der Dialysebehandlung) kombiniert wird (Agarwal
R, Clin J Am Soc Nephrol 3:1364-1372, 2008). Als Goldstandard gelten
allerdings interdialytisch gemessene Blutdruckwerte anhand eines
44-Stunden-Blutdruckmonitorings im Dialyse-freien Intervall oder die
Selbstmessung des Blutdrucks durch den Patienten zuhause. Aus diesen
Werten ergibt sich eine größere prognostische Information als durch die
peridialytisch gemessenen Blutdruckwerte (Alborzi P, Clin J Am Soc
Nephrol 2:122-1234, 2007). Für die Selbstmessung des Blutdrucks im
Dialyse-freien Intervall wird ein Zeitfenster 18-30 Stunden nach Dialyse
empfohlen.
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Tags: nephro-news dialyse hypertensiologie hämodialyse blutdrucksenkung hypertonie
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