INTENSIV-News
Intensive insulin therapy and pentastarch resuscitation in severe sepsis.
Brunkhorst
FM, Engel C, Bloos F, et al. N
Engl J Med 2008; 358:125-39
Department of Anesthesiology and Intensive Care Medicine, Friedrich Schiller University, Jena, Germany.
BACKGROUND:
The role of intensive insulin therapy in patients with severe sepsis is
uncertain. Fluid resuscitation improves survival among patients with
septic shock, but evidence is lacking to support the choice of either
crystalloids or colloids.
METHODS: In a multicenter, two-by-two
factorial trial, we randomly assigned patients with severe sepsis to
receive either intensive insulin therapy to maintain euglycemia or
conventional insulin therapy and either 10% pentastarch, a
low-molecular-weight hydroxyethyl starch (HES 200/0.5), or modified
Ringer's lactate for fluid resuscitation. The rate of death at 28 days
and the mean score for organ failure were coprimary end points.
RESULTS:
The trial was stopped early for safety reasons. Among 537 patients who
could be evaluated, the mean morning blood glucose level was lower in
the intensive-therapy group (112 mg per deciliter [6.2 mmol per liter])
than in the conventional-therapy group (151 mg per deciliter [8.4 mmol
per liter], P<0.001). However, at 28 days, there was no significant
difference between the two groups in the rate of death or the mean score
for organ failure. The rate of severe hypoglycemia (glucose level, <
or = 40 mg per deciliter [2.2 mmol per liter]) was higher in the
intensive-therapy group than in the conventional-therapy group (17.0%
vs. 4.1%, P<0.001), as was the rate of serious adverse events (10.9%
vs. 5.2%, P=0.01). HES therapy was associated with higher rates of acute
renal failure and renal-replacement therapy than was Ringer's lactate.
CONCLUSIONS:
The use of intensive insulin therapy placed critically ill patients
with sepsis at increased risk for serious adverse events related to
hypoglycemia. As used in this study, HES was harmful, and its toxicity
increased with accumulating doses.
Unzählige Studien in den letzten Jahren zeigten, dass eine Hyperglykämie
mit einer erhöhten Morbidität und Mortalität assoziiert ist
(Vanhorebeek I, Chest 2007;132:268). Jahrelang waren wir der Meinung,
dass bei unseren Intensivpatienten diese Stress-Hyperglykämie als
adaptives Epiphänomen im Sinne einer physiologischen Gegenregulation zu
akzeptieren ist. Die Studien von Van den Berghe zeigten jedoch
eindrucksvoll, dass eine intensivierte Insulintherapie mit dem Ziel
einer Normoglykämie zu einer Reduktion der Morbidität und zu einer
Senkung der Mortalität führt (Van den Berghe G, NEJM 2001; 345:1359 und
NEJM 2006; 354:449). Dass die klinische Umsetzung dieser intensivierten
Insulintherapie in der täglichen Praxis äußerst schwierig, ja sogar oft
nicht ausreichend möglich ist und mit einer deutlich erhöhten Rate an
Hypoglykämien einhergeht, wissen wir aus zahlreichen Publikationen
(Nasraway SA, Crit Care Med 2007; 35:2435), aber vor allem aus eigener
täglicher klinischer Erfahrung.
In der Anfang 2008 publizierten VISEP-Studie (Brunkhorst F, NEJM 2008;
358:125), an der insgesamt 18 Zentren in Deutschland teilnahmen, wurden
von April 2003 bis Juni 2005 insgesamt 488 Patienten (247 Patienten mit
intensivierter Blutzuckereinstellung zwischen 80 und 110 mg/dl und 241
Patienten mit konservativer Blutzuckereinstellung zwischen 180 – 200
mg/dl) mit schwerer Sepsis oder septischem Schock eingeschlossen. Im
Rahmen einer Sicherheitsinterimsanalyse wurde die Studie vorzeitig
abgebrochen, da bei fehlenden Unterschieden in den primären
Studienendpunkten bei jenen Patienten mit einem intensivierten
Insulinschema deutlich häufiger schwere Hypoglykämien auftraten, als bei
jenen Patienten mit konservativer Blutzuckereinstellung (17 vs. 4,1%,
p< 0,001). In der Patientengruppe mit intensivierter Insulintherapie
wurde die mittlere Blutzuckerkonzentration auf einen Mittelwert von 112
mg/dl (6,2 mmol/l) verglichen mit 151 mg/dl (8,4 mmol/l) in der
konservativen Therapiegruppe gesenkt (p<0,001). Die
28-Tagesmortalität und die 90-Tagesmortalität waren zwischen beiden
Gruppen nicht unterschiedlich (24.7 vs. 26.0%, P=0.74 und 39.7 vs.
35.4%, P=0.31).
Sollen wir aufgrund dieser Studienergebnisse nunmehr tatsächlich die
Ergebnisse von Van den Berghe als nicht mehr klinisch relevant
einstufen und die intensivierte Insulintherapie bei Intensivpatienten
als obsolet bezeichnen? Ich halte diese Schlussfolgerung für voreilig.
Viele Intensivmediziner würden zwar lieber heute als morgen diese
Schlussfolgerung umsetzen, da eine liberale Blutzuckereinstellung
unseren arbeitsaufwändigen und oft frustranen Versuchen, einen
Intensivpatienten in der Akutphase normoglykäm zu halten, ein Ende
setzen würde. Primär müssen jedoch die Studienergebnisse der VISEP- und
der Van den Berghe-Studien kritisch analysiert werden. Auffallend ist,
dass bei der VISEP-Studie bei einem deutlich kleineren Anteil der
Patienten das Ziel der Normoglykämie erreicht wurde. So lag bei der
VISEP-Studie der mittlere Blutzuckerwert in der intensivierten
Insulintherapiegruppe deutlich über dem Zielblutzuckerwert und der
Prozentsatz der tatsächlich im Zielbereich gelegenen Blutzuckerwerte
lag unter 50%!! (Tabelle) In den insgesamt 2748 inkludierten Patienten
in den Van den Berghe-Studien waren immerhin 70% aller Blutzuckerwerte
unter 110 mg/dl. Diese Tatsache lässt eindeutig den Schluss zu, dass in
der VISEP-Studie bei den meisten Patienten das primäre Studienziel gar
nicht erreicht wurde.
Wir wollen Fachärzte und Pfleger topaktuell und wissenschaftlich fundiert über Studien, fachspezifische Entwicklungen und deren praktische Umsetzung informieren, um sie in ihrer Arbeit und Fortbildung zu unterstützen.
Wählen Sie dazu bitte Ihr Land aus.