INTENSIV-News
Severe hypoglycemia in critically ill patients: risk factors and outcomes.
Krinsley
JS, Grover A Crit Care Med 2007; 35:2262-7
Stamford Hospital, Columbia University College of Physicians and Surgeons, 190 West Broad Street, Stamford, CT 06902, USA.
OBJECTIVE:
To determine the risk factors for development of severe hypoglycemia
(defined as glucose <40 mg/dL) in critically ill patients and define
the outcomes of this complication.
DESIGN: Retrospective database
review, including a case-control analysis that matched each patient with
severe hypoglycemia with three controls.
SETTING: Adult intensive care unit of a university-affiliated community hospital.
PATIENTS:
A total of 102 patients with at least one episode of severe
hypoglycemia extracted from a series of 5,365 medical, surgical and
cardiac patients admitted consecutively between October 1, 1999 and June
15, 2006.
INTERVENTION: A program of intensive glycemic monitoring
and management, or tight glycemic control, was implemented on February
1, 2003; 2,666 patients were treated before and 2,699 after this date.
MEASUREMENTS
AND MAIN RESULTS: Multivariable logistic regression analysis identified
diabetes, septic shock, renal insufficiency, mechanical ventilation,
severity of illness, reflected by Acute Physiology and Chronic Health
Evaluation II score with the age component deleted, and treatment in the
tight glycemic control period as independent risk factors for the
development of severe hypoglycemia. Mortality was 55.9% among the 102
patients with severe hypoglycemia and 39.5% among the 306 controls (p =
.0057). Multivariable logistic regression analysis identified severe
hypoglycemia as an independent predictor of mortality for the entire
cohort (odds ratio, 2.28; 95% confidence interval, 1.41-3.70; p =
.0008). Among patients with severe hypoglycemia, only modified Acute
Physiology and Chronic Health Evaluation II score and mechanical
ventilation were identified as independent predictors of mortality. A
sensitivity analysis was constructed that suggested that quadrupling the
rate of severe hypoglycemia and doubling the mortality attributable to
severe hypoglycemia would negate the survival benefit of tight glycemic
control in this series.
CONCLUSIONS: Case-control methodology and
multivariable logistic regression analysis concurred that even a single
episode of severe hypoglycemia was independently associated with
increased risk of mortality. Safe implementation of tight glycemic
control requires appropriate monitoring to reduce the risk of this
complication.
Zwischen den Jahren 2001 und 2007 zeigten 5 große, prospektive Studien bei Intensivpatienten, dass eine konsequente Blutzuckereinstellung im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie die Prognose signifikant verbessert (Nasraway, SA; Crit Care Medicine 2007; 35:2435). Die intensivierte Insulintherapie ist nun weltweit eine etablierte Standardtherapie auf Intensivstationen. Im Mittelpunkt der derzeitigen Diskussion steht jedoch noch die Frage, "wie streng" der Blutzucker eingestellt werden muss. Ist tatsächlich ein Blutzucker zwischen 80 und 110 mg/dl anzustreben oder können wir doch auch liberalere Blutzuckerwerte zwischen 110 und 150 mg/dl tolerieren? Bei dieser Diskussion muss man den Benefit einer strengen Normoglykämie der Gefahr einer erhöhten Hypoglykämierate gegenüberstellen.
Je strenger der Blutzucker im Rahmen einer intensivierten Insulintherapie eingestellt wird, umso höher ist die Rate an schweren Hypoglykämien. Je nach Studie schwankt die Hypoglykämierate zwischen 4 und 19%. Bislang fanden jedoch Studien zu diesem Thema keine Assoziation zwischen dem Auftreten einer Hypoglykämie und der Mortalität sowohl in der Frühphase (innerhalb von 5 Tagen nach Hypoglykämie) als auch im weiteren Krankenhausaufenthalt (Vriesendorp TM; Crit Care Medicine 2006; 34:2741).
Krinsley und Grover kommen in ihrer nun vorliegenden, retrospektiven Analyse ihres Patientenkollektives erstmals zu einer gegensätzlichen Aussage (Crit Care Medicine 2007; 35:2262). Die Autoren analysierten die Daten von 102 Patienten mit schwerer Hypoglykämie (Blutzucker < 40 mg/dl) aus einem Kollektiv von 5365 Patienten über einen Zeitraum zwischen 1999 und 2006. Während dieses Zeitraumes wurde 2x der Blutzuckerzielwert geändert (ab 1.2.2003: Zielbereich zwischen 80 und 140 mg/dl, ab 10.1.2005: 80 bis 125 mg/dl). Entsprechend kam es zu einem Abfall des mittleren Blutzuckers von 154 mg/dl auf 129 mg/dl und zwischen Jänner 2005 und Juni 2006 auf 119 mg/dl.
Die Daten dieser 102 Patienten mit schwerer Hypoglykämie wurden mit den Daten 306 gematchter Kontrollpatienten verglichen. Dabei zeigte sich, dass die Mortalität der Patienten mit schwerer Hypoglykämie signifikant höher war als bei der Kontrollgruppe (55,9% vs. 39,5%; p < 0.0057). Eine multivariate Regressionsanalyse ergab, dass eine schwere Hypoglykämie ein um 2,2-fach erhöhtes Risiko zu versterben darstellt. Eine anschließende Sensitivitätsanalyse zeigte, dass der negative Effekt einer schweren Hypoglykämie den positiven Effekt einer strengen Blutzuckereinstellung reduziert, jedoch nicht aufhebt.
Diese wichtigen Daten sind jedoch kritisch zu analysieren. Auffallend ist, dass von den 102 Patienten 27% der Patienten innerhalb 12 Stunden vor der Hypoglykämie gar kein Insulin erhielten. Es ist daher unverständlich, warum diese 28 Patienten überhaupt in die Analyse mit einbezogen wurden, da ja offensichtlich zum Zeitpunkt der Hypoglykämie gar keine intensivierte Insulintherapie durchgeführt wurde. Dass das Auftreten von spontanen Hypoglykämien mit einer erhöhten Mortalität assoziiert ist, ist bekannt. Auffallend ist außerdem, dass lediglich 17,6% (!) der Patienten mit schwerer Hypoglykämie intravenöses Insulin erhielten. Der größte Prozentsatz der Patienten erhielt ausschließlich subkutanes Insulin innerhalb 12 Stunden vor dem Hypoglykämieereignis.
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