INTENSIV-News
In letzter Zeit mehren sich Stimmen, die vor den negativen Auswirkungen
einer intensivierten Insulintherapie, vor allem vor einer erhöhten
Hypoglykämierate warnen. Dabei wird kritisch hinterfragt, ob der
potentielle Schaden durch eine erhöhte Hypoglykämierate nicht
wesentlich höher liegt, als der Benefit einer intensivierten
Insulintherapie. Im Jahr 2005 wurde eine prospektive, randomisierte,
deutsche multizentrische Studie (VISEP-Studie) bei Patienten mit Sepsis
mit und ohne intensivierte Insulintherapie aufgrund eines fehlenden
Unterschiedes in der Mortalität, aber einer 4-fach erhöhten
Hypoglykämierate in der intensivierten Insulintherapie-Gruppe nach 400
Patienten frühzeitig abgebrochen.
Sowohl die präliminären Ergebnisse der VISEP-Studie als auch mehrere
publizierte kontrollierte Studien vom Jahr 2001 bis 2006, zeigten
bislang jedoch keine negativen Auswirkungen einer Hypoglykämie unter
intensivierter Insulintherapie bei Intensivpatienten. Eine rezente
Studie (Egi et al. Am J Respir Crit Care Med 2006; 173:407) zeigte zwar,
dass unter einer intensivierten Insulintherapie die "number needed to
harm" (definiert als Auftreten einer Hypoglykämie) mit 7 bis 13
wesentlich geringer ist als die "number needed to treat" (definiert als
Rate um ein Leben zu retten) mit 38 bis 125, belegt jedoch auch, dass
durch die erhöhte Hypoglykämierate dem Patienten nicht wirklich
"geschadet" wird. Meiner Meinung nach scheint es daher nicht
gerechtfertigt zu sein, vor einer allgemeinen Empfehlung zur
intensivierten Insulintherapie bei Intensivpatienten zu warnen, zumal
auch die jüngste Arbeit von van den Berghe bei internistischen
Intensivpatienten eine signifikante Senkung der Mortalität gerade bei
jenen Patienten zeigte, die länger als 2 Tage auf der Intensivstation
aufgenommen waren und welche die höchste Rate an Hypoglykämien aufwiesen
(25%) (Van den Berghe e al. N Engl J Med 2006, 354:449).
Die bisherige Datenlage belegt eindeutig, dass die Vorteile der
intensivierten Insulintherapie die prinzipielle Gefahr einer
Hypoglykämie unter der intensivierten Insulintherapie deutlich
überwiegen. Daher ist es nicht gerechtfertigt, bei entsprechender
Indikation und unter adäquatem Monitoring Intensivpatienten eine
intensivierte Insulintherapie vorzuenthalten.
Auch wenn unter intensivierter Insulintherapie in der jüngsten Arbeit
von van den Berghe (Van den Berghe e al. N Engl J Med 2006, 354:449)
eine deutlich höhere Rate an Hypoglykämien zu beobachten war, als in
ihrer ersten Studie an chirurgischen Patienten (Van den Berghe et al. N
Engl J Med 2001, 45:1359) (3,1% vs. 18,7%), war weder der Schweregrad
der Hypoglykämie noch die Mortalität zwischen beiden Gruppen
unterschiedlich. Es kam auch bei keinem einzigen Patienten zu
hämodynamischer Instabilität, cerebralen Krämpfen oder anderen
Hypoglykämie-bedingten Nebenwirkungen. In der ersten Arbeit von van den
Berghe bei chirurgischen Intensivpatienten (Van den Berghe et al. N
Engl J Med 2001, 45:1359-1367) unterschied sich die Hypoglykämierate
zwischen der Gruppe mit intensivierter und konventioneller
Insulintherapie nicht signifikant.
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Tags: intensiv-news diabetologie hypoglykämie insulin blutzucker
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