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Gründungsaufruf der "Betroffenen-Initiative Sepsis"

Jenaer Deklaration


Nach den Erhebungen des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützten Kompetenznetzwerkes Sepsis (SepNet) erkranken in Deutschland pro Jahr 75.000 Einwohner an einer schweren Sepsis bzw. septischem Schock und 79.000 an einer Sepsis. Mit ca. 60.000 Todesfällen stellen septische Erkrankungen die dritthäufigste Todesursache nach dem akuten Myokardinfarkt dar. Nach den offiziellen Zahlen des Statistischen Bundesamtes hingegen, die sich auf ICD-10 basierte Krankenhausentlassungsstatistiken stützen, erkranken pro Jahr ca. 39.000 Einwohner an einer Sepsis, von denen ca. 6000 versterben. Im Gegensatz zu kardiologischen und onkologischen Erkrankungen ist die (fach-)öffentliche Wahrnehmung für die Sepsis gering.

Auf Initiative und unter Beteiligung von Intensivmedizinern der Deutschen Sepsis-Gesellschaft e.V. (Vorsitzender: Prof. Dr. K. Reinhart) haben ca. 200 ehemals an Sepsis Erkrankte bzw. deren Angehörige aus ganz Deutschland daher am 3. - 4. Dezember 2005 in Jena die weltweit erste "Betroffenen-Initiative Sepsis" gegründet. In einer "Jenaer Deklaration", die sich an alle im Gesundheitssystem Beteiligte richtet und auch an diese Einrichtungen brieflich versandt wurde, wurden folgende Versorgungsmängel herausgestellt bzw. eine Beseitigung derselben gefordert:

1. Sichtbarmachung der Sepsis in der öffentlichen und fachöffentlichen Wahrnehmung

96% der Betroffenen beklagen, dass "der Sepsis allgemein zu wenig Beachtung geschenkt wird". Patienten, die eine schwere Sepsis dank intensivmedizinischer Maßnahmen überlebt haben, stoßen in der Bevölkerung, bei den Krankenkassen, Berufsgenossenschaften, Renten- und Versicherungsträgern und bei den nachbehandelnden Ärzten meist auf Unverständnis. Außerhalb der Intensivstation wissen Ärzte mit den Beschwerden nach überlebter Sepsis in der Regel wenig anzufangen. In den Krankenhausberichten wird als Entlassungsdiagnose zumeist die der Sepsis zugrundeliegende Infektion (z.B. Pneumonie oder Peritonitis) aufgeführt, aber nicht die Sepsis, welche die Schwere der Erkrankung viel besser verdeutlicht.

2. Verbesserung der Medizinerausbildung

Das Expertenwissen über die verschiedenen Aspekte der Sepsis ist über viele Fachdisziplinen hinweg verstreut; eine feste Zuordnung zu einer medizinischen Disziplin fehlt. Eine strukturierte Zusammenarbeit zwischen Intensivmedizinern, Infektiologen, Mikrobiologen, Immunologen, Epidemiologen und den konsiliarisch behandelnden klinischen Fachdisziplinen existiert nicht. Patienten mit schwerer Sepsis finden sich in den verschiedensten Fachdisziplinen, aber die Inzidenz innerhalb der einzelnen Fachdisziplinen ist relativ niedrig. Die ausgeprägte Interdisziplinarität hat auch negative Auswirkungen auf die Lehre an den Universitäten, denn keine einzelne Fachdisziplin fühlt sich für die umfassende diesbezügliche Ausbildung der Ärzte und Medizinstudenten verantwortlich, dies gilt auch für die Fort- und Weiterbildung. Die Betroffenen fordern hier eine Verbesserung in dem Sinne, dass das Krankheitsbild in den Lehrplänen von Medizinstudenten und Medizinpersonal sowie in den Fort- und Weiterbildungsnachweisen von Ärzten und Medizinpersonal einen entsprechenden Stellenwert erhält.

3. Verbesserung der frühen Diagnose von Sepsispatienten

Die Betroffenen und/oder deren Angehörige haben häufig feststellen müssen, dass die Frühsymptome einer Sepsis seitens der Ärzte zu wenig beachtetet werden. Eine verzögerte Diagnose ist jedoch mit einer erhöhten Mortalität und Morbidität verbunden. 38% der Betroffenen berichten, dass die Sepsis erst spät erkannt wurde (29% können hierzu keine Angaben machen). Da mittels neuer Methoden der molekularen Diagnostik im Blut die Zeit bis zur Behandlung verkürzt werden kann, müssen diese neuen Methoden auch Verwendung finden bzw. die weitere Forschung auf diesem Gebiet muss vorangetrieben werden.

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Tags: intensiv-news sepsis betroffenen-initiative 

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