INTENSIV-News
Prevalence of and factors related to discordance about prognosis between
physicians and surrogate decision makers of critically ill patients.
White DB, Ernecoff N, Buddadhumaruk P, Hong S, Weissfeld L, Curtis JR, Luce JM, Lo B5. JAMA 2016; 315:2086-94
Jeder zweite von uns kann gegen Ende des Lebens keine autonome
Entscheidung für oder gegen lebensverlängernde Maßnahmen treffen
(Silveira MJ; N Engl J Med 2010; 362:1211). Entscheiden stellvertretend
für die Patienten deren Angehörige (wie in den USA üblich), so führen
überoptimistische Prognoseeinschätzungen zu Übertherapie und verzögerter
palliativer Betreuung am Lebensende (Wolfe J, JAMA 2000; 284:2469).
Wenn
(wie in vielen europäischen Ländern üblich) der behandelnde Arzt anhand
des mutmaßlichen Patientenwillens entscheidet, so ist dennoch die
Integration der Angehörigen in den Entscheidungsprozess sehr wichtig:
Oft erfahren wir über die Angehörigen entscheidende Hinweise auf den
mutmaßlichen Patientenwillen. Darüber hinaus haben Ärzte das menschliche
Bedürfnis, gemeinsam und in Übereinstimmung mit der Familie des
Patienten zu entscheiden. Außerdem befürchten Intensivmediziner oft
rechtliche Konsequenzen bei ethischen Entscheidungen gegen den
Angehörigenwillen. Die Kommunikation zwischen Arzt und Angehörigen – mit
dem Ziel, einander richtig zu verstehen – ist die Grundlage der
gemeinsamen Entscheidungsfindung im Sinne des Patienten (= shared
decision making). Ein zentrales Thema von Arzt-Angehörigen-Gesprächen
ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Patient die akute Erkrankung
überlebt. Wenngleich bekannt ist, dass Angehörige oft eine vom Arzt
abweichende Prognoseeinschätzung treffen, so sind die Ursachen dafür
unklar. Infrage kommen Missverständnisse, andere Wertvorstellungen und
systematische Denkverzerrungen (=kognitive Biases). Das Verständnis
dieser Mechanismen ist wichtig, damit Ärzte bei den Gesprächen mit
Angehörigen darauf Rücksicht nehmen können.
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Tags: intensiv-news intensivmedizin prognose angehörigenbetreuung
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