Frühmobilisierung: Eine TEAM – Aufgabe, oder nicht?

Jährlich werden weltweit etwa 13 bis 20 Millionen Menschen auf Intensivstationen behandelt (Adhikari NKJ; The Lancet 2010; 376:1339). In Deutschland waren es im Jahr 2017 2,13 Millionen Menschen, von denen 430.000 beatmet werden mussten (Statistisches Bundesamt; Destatis - Grunddaten der Krankenhäuser 2017, 2018). Dabei entwickelt sich bei rund 40% der Patient­Innen auf der Intensivstation ein mit Muskelschwund assoziierter Zustand von generalisierter Schwäche (Intensive Care Unit Acquired Weakness, ICUAW).

Diese klinisch festgestellte Muskelschwäche hat außer einer kritischen Erkrankung keine plausible Erklärung (Kress JP; N Engl J Med 2014; 370:1626). Die ICUAW ist mit einem erhöhten Sterberisiko, einem verlängerten Krankenhausaufenthalt und einer beeinträchtigten Genesung verbunden (Appleton RT; Journal of the I­ntensive Care Society 2015; 16:126, Kress JP; N Engl J Med 2014; 370:1626). Ebenso ist bekannt, dass PatientInnen bis zu fünf Jahre nach der Entlassung von der Intensivstation unter den Folgen einer ICUAW leiden können (Van Aerde N; Intensive Care Medicine 2020; 46:1184).

Bei PatientInnen auf der Intensivstation, die seit mehr als 48 Stunden mechanisch beatmet werden, setzt ein rascher Schwund der Skelettmuskulatur ein. Elektrophysiologische Veränderungen, die für eine Critical Illness Myopathie (CIM) charakteristisch sind, bedingen dabei, dass schon am fünften Tag die Muskel-abbauenden Systeme stark hoch- und die Muskel-aufbauenden Systeme stark herunterreguliert sind. Daraus folgend können bereits nach einer Woche 12-15% der Muskelmasse verloren gegangen sein (­Fazzini B; Crit Care 2023; 27:2). Doch obwohl die Immobilisierung zu einer ICUAW beitragen kann, scheint diese Schwäche Teil der Pathophysiologie der kritischen Erkrankung zu sein und ist nicht nur auf reine Inaktivität zurückzuführen (Puthucheary ZA; JAMA 2013; 310:1591).