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Thrombozytopathie und Blutungskomplikationen bei Urämie


Die Thrombozytopathie bei Urämie betrifft die Störung der Adhärenz der Thrombozyten an die Gefäßwand und eine Hemmung der Aggregation der Thrombozyten mit konsekutiver Verlängerung der Blutungszeit. Allerdings besteht paradoxerweise auch eine Thromboseneigung durch Hyperaggregation der Thrombozyten bei Urämie.

Adhärenzdefekt

Die Thrombozytopathie bei Urämie beruht zunächst einmal auf einer Verminderung des Glykoproteins GPIb (Sloand EM, Br J Haematol 77:375-381, 1991), dem thrombozytären Rezeptor des von Willebrand Faktors (vWF). Eine Verminderung von GPIb bedingt eine verminderte Adhärenz der Thrombozyten an das Subendothel der Gefäßwand (Escolar G, Curr Hematol Rep 4:359-367, 2005). Die Verminderung von GPIb bei Urämie beruht auf einer proteolytischen Degradation durch Plasmin und/oder Thrombin. Durch Spaltung der a-Kette von GPIb entsteht das proteolytische Abbauprodukt Glycocalicin (Mezzano D, Thromb Haemost 76:312-321, 1996). Die Plasmaspiegel an Glycocalicin sind bei Hämo- und Peritonealdialysepatienten deutlich höher als bei nierengesunden Kontrollpersonen. Glycocalicin besitzt Bindungsstellen für vWF und Thrombin und vermindert dadurch kompetitiv die Bindung von vWF an GPIb (Himmelfarb J, Am J Kidney Dis 32:132-138, 1998). Auch dadurch wird die Thrombozytenadhäsion bei Urämie beeinträchtigt. Erhöhte Plasmaspiegel des vWF bei Urämie sollen den Adhäsionsdefekt urämischer Thrombozyten wenigstens teilweise kompensieren (Zaginga JJ, Blood 75:1498-1508, 1990). Die Reduktion der GPIb-Expression korreliert bei chronischer Niereninsuffizienz mit der Schwere der Erkrankung. Durch Stimulation der Thrombozyten lässt sich auch bei Urämie die verminderte GPIb-Expression normalisieren (Hörl WH, Wien Klin Wochenschr 118:134-150, 2006).

Urämische Thrombozyten und Endothelzellen produzieren vermehrt Stickoxid (NO) (Norris M, Kidney Int 44:445-450, 1993; Norris M, Blood 94:2569-2574, 1999; Brunini TM, Pflügers Arch 445:547-550, 2003). Die primäre Hämostase setzt am Ort der Blutung eine effektive Vasokonstriktion voraus. Vasodilatatoren wie NO hemmen die Vasokonstriktion und stören die Interaktion zwischen Thrombozyten und Gefäßwand. Die Blutungsneigung urämischer Patienten korreliert mit der Aktivität der NO-Synthase in den Thrombozyten. Umgekehrt fördern Inhibitoren der NO-Synthase die Plättchenadhäsion (Kenet G, Arterioscler Thromb Vasc Biol 19:2017-2023, 1997) und normalisieren die verlängerte Blutungszeit bei Urämie (Remuzzi G, J Clin Invest 86:1768-1771, 1990). L-Arginin dient als Substrat der NO-Synthase und verursacht Thrombozytendysfunktion (Boccardo P, Semin Thromb Hemost 30:579-589, 2004).

Unter den Urämietoxinen stimuliert vor allem Guanidinbernsteinsäure die NO-Produktion und hemmt dadurch die Plättchenadhäsion (Noris M, Blood 94:2569-2574, 1999), in hohen Konzentrationen auch die Thrombozytenaggregation (Horowitz HI, Am J Med 49:336-345, 1970). Tierexperimentell lässt sich durch die intravenöse Injektion von Guanidinbernsteinsäure (1 mg/kg) eine verlängerte Blutungszeit induzieren. Eine verlängerte Blutungszeit resultiert beim Nierengesunden durch die Inhalation von NO (Hogman M, Lancet 341:1664-1665, 1993). Der endogene NO-Inhibitor ADMA (asymmetrisches Dimethylarginin) antagonisiert wenigstens teilweise das bei Urämie vermehrt gebildete NO (Fliser D, Eur J Clin Invest 35:71-79, 2005).

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Tags: nephro-news urämie thrombozytopathie blutung dialyse 

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