INTENSIV-News
Severe hypercapnia and outcome of mechanically ventilated patients with moderate or severe acute respiratory distress syndrome.
Nin
N, Muriel A, Peñuelas O, Brochard L, Lorente JA, Ferguson ND, Raymondos
K, Ríos F, et al. Intensive Care Med 2017; 43:200-208
Effects of hypercapnia and hypercapnic acidosis on hospital mortality in mechanically ventilated patients.
Tiruvoipati R, Pilcher D, Buscher H, Botha J, Bailey M. Crit Care Med 2017; 45(7):e649-e656
Im Jahr 2000 wurde die Ära der lungenprotektiven Beatmung eingeleitet
durch die „Meilenstein-Studie“ des ARDS-Networks, in der ein
Überlebensvorteil für diejenigen Patienten gezeigt wurde, die mit
reduziertem Tidalvolumen (ca. 6 ml/kg‚ ideales Körpergewicht) beatmet
wurden im Vergleich zur bis dahin akzeptierten Wahl von deutlich höheren
Atemzügen (ca. 10-12 ml/kg) (ARDS Network, N Engl J Med 2000; 342:1301).
Diese neue Strategie akzeptierte eine hieraus häufig
resultierende Hyperkapnie – sie konnte sich ja auf frühere Studien
berufen, die in einer über physiologische Grenzen hinausgehenden
Erhöhung des arteriellen CO₂ (mit begleitender Azidose) keine Nachteile
sahen. Seit den 1980er Jahren wurde dieses Konzept als „permissive
Hyperkapnie“ in die Empfehlungen zum Management des Lungenversagens
fortgeführt.
Einige Physiologen erhoben allerdings immer wieder ihre
kritische Stimme: In tierexperimentellen Studien war schon lange
demonstriert worden, dass eine (akut auftretende!?) hyperkapnische
Azidose eine Immunsuppression induzieren, die Nierenfunktion
einschränken und die kardiovaskuläre Stabilität beeinträchtigen kann.
Auf
der anderen Seite wurden von Lungenphysiologen Hinweise gegeben, dass
eine hyperkapnische Azidose in der Lunge Ischämie-reduzierend,
Compliance-fördernd und inflammationsprotektiv wirkt (siehe Übersicht
Marhong J; Respir Care 2014; 59:1597).
Man muss nach Sichtung
der aktuellen Literatur wohl eingestehen, dass der Effekt von
„unphysiologischen“ Veränderungen von Kohlendioxid und
Säure-Basen-Verhältnissen auf den komplexen menschlichen Organismus
(insbesondere während kritischer Erkrankungen) derzeit nicht ausreichend
geklärt ist.
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