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Der Pflegefachkraft ist etwas zuzutrauen

Von der Nutzung der weitreichenden Fachkompetenz am Beispiel der Intensivpflege


Problemstellung

Ärztliche Aufgaben auf Pflegefachkräfte zu übertragen, findet bereits seit Jahrzehnten statt. Der Ärztemangel verlangt von Krankenhäusern Überlegungen zur Neuordnung von Aufgaben des Ärztlichen Dienstes (Offermanns M, Bergmann K-O, 2008). Da es hierfür keine gesetzliche Regelung gibt und die Auslegung anhand der rechtlichen Instrumente umstritten ist, müssen sich Einrichtungsträger und Mitarbeiter in der Pflege mit arbeits-, haftungs-, sozialversicherungs- und versicherungsrechtlichen Fragestellungen auseinandersetzen, die eine sinnvolle Arbeitsteilung zwischen den Gesundheitsberufen, insbesondere zwischen den Ärzten und Pflegefachkräften erheblich erschweren (Roßbruch, R, 2008).

Am Beispiel der Intensivpflege werden die rechtlichen Rahmenbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland und sich hieraus ergebende Folgen behandelt (auf Basis von Vorträgen auf dem Internationalen Symposium für Intensivmedizin und Intensivpflege in Bremen am 19.2.2009 und am 20.2.2010).

Die Ausgangslage

Begrifflichkeiten:

Delegation bedeutet, dass einer, nämlich der Arzt, die Kernkompetenz hat und etwas abgeben darf. Allokation im weiteren Sinne von Zuteilen, auch gleichgesetzt mit Substitution im Sinne von Ersetzen, ist selbständiges Tätigwerden im Rahmen der Kernkompetenz, was interessanterweise in der Rechtsprechung (noch) kein Thema ist. Der Oberbegriff ist Übernahme oder Übertragung von Aufgaben.

Rechtspolitische Dimension:

Fragen der Übertragung ärztlicher Tätigkeiten auf andere Berufsgruppen werden meist an Konstellationen diskutiert, die in der Praxis gar nicht mehr vorliegen, denn wo ist ein Arzt noch ständig anwesend? Außerdem werden Gesundheitsfachberufe mehrheitlich immer noch als medizinisches Assistenzpersonal wahrgenommen (Böhme H, 2008c). Recht hängt auch mit Bewusstsein zusammen und muss deshalb von den Verantwortlichen den Versorgungsanforderungen angepasst werden.

Das Heilpraktikergesetz:

Das Heilpraktikergesetz von 1939, geschaffen zum Schutz der Bevölkerung vor Scharlatanen, ging von einem Monopol der Heilkunde durch approbierte Ärzte und Heilpraktiker aus. Die moderne Auslegung der Bundesgerichte führte im Hinblick auf Art. 12 Grundgesetz (Grundrecht auf freie Berufsausübung) zu einer Aufweichung dieses Ausschließlichkeitsgrundsatzes: Selbst Geistheilen ist keine ärztliche Heilkunde (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 02.03.2004 – AZ: 1 BvR 784/03; dazu auch Dannecker G, 2008)). Der Krankengymnast übt keine ärztliche Heilkunde aus (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.10.2009 - AZ: BVerwG 3 B 39.09; dazu Böhme H, 2010b); anders dagegen der Physiotherapeuten (Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 26.08.2009 unter dem AZ.: BVerwG 3 C 19.08; dazu Böhme H, 2010a), der aber Anspruch auf eine Erlaubnis nach dem Heilpraktikergesetz hat. Hier wäre ein modernes Heilkundegesetz geboten.

Das geltende Haftungsrecht:

Haftung richtet sich nach dem Sorgfaltsbegriff. Ausgehend vom jeweiligen Berufsbild, den Ausbildungen und Prüfungen, etwaigen Weiterbildungen und Prüfungen sowie unter Beachtung etwaig notwendig werdender Einweisungen ist die Abgrenzung ärztlicher von pflegerischen Tätigkeiten im Einzelfall nicht einfach und geprägt vom Sicherheitsgebot der Einrichtung, womit zumindest zum Ausdruck gebracht wird, dass bei der Risikoeinschätzung im Zweifel die Aufgabe beim Arzt zu verbleiben hat und nicht etwa bei Pflegepersonen (Böhme H; 2008a).

Dabei stellen sich zwei Probleme, die präzise Definition der Aufgabenbereiche der jeweiligen Berufsgruppe und die Problematik der Delegierbarkeit oder gar Übernahmefähigkeit ärztlicher Tätigkeiten auf Pflegepersonal.

Diese berufsrechtlichen Fragestellungen paaren sich mit haftungsrechtlichen Problemen, zum einen im Rahmen der Eigenverantwortung des jeweiligen Berufs- und Arbeitsbereiches einerseits und der Organisationsverantwortung der Einrichtung und der Akteure in der Arbeitsorganisation andererseits.

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Tags: intensiv-news pflege pflegepersonal kompetenzen 

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