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Sagen Zahlen mehr als Worte?

Über die Schwierigkeit, Angehörigen die Prognose zu vermitteln.


A randomized trial of two methods to disclose prognosis to surrogate decision makers in intensive care units

Lee Char SJ, Evans LR, Malvar GL, et al.                                                                                              Am J Respir Crit Care Med 2010; 182:905-9

Department of Surgery, University of California, San Francisco, School of Medicine, USA.


Nach einem Gespräch mit Angehörigen eines schwerkranken Patienten an der Intensivstation haben wohl schon viele Ärztinnen und Ärzte, aber auch Pflegepersonen die Erfahrung gemacht, dass nicht alles, was sie mitteilen wollten, auch tatsächlich aufgenommen wurde. Hinsichtlich der Übermittlung wichtiger Informationen scheint es dann fast so, als ob das Gespräch gar nicht stattgefunden hätte oder etwas völlig anderes gesprochen worden wäre. Besonders ausgeprägt findet sich dieses Muster einer völlig anderen Wahrnehmung von Sender und Empfänger einer Nachricht, wenn es um die Übermittlung einer schlechten Nachricht geht. So kann es geschehen, dass die Mitteilung einer schlechten Prognose von einem Angehörigen nicht in ihrer Tragweite erfasst wird oder einzelne Äußerungen aus dem Zusammenhang gelöst als positive Botschaft interpretiert werden. Das aus solchen Situationen resultierende Konfliktpotential liegt auf der Hand.

Die Autoren der vorliegenden Studie haben nun den Versuch unternommen, dieses Problem zwischen dem Übermittler und dem Empfänger einer Nachricht im Kontext einer intensivmedizinischen Behandlung messbar zu machen und Hinweise auf die Kausalität zu finden. Dazu wurden 169 Personen, die an zwei amerikanischen Intensivstationen für Patienten als sogenannte „Surrogate Decision Makers“ fungierten gebeten, an der Studie teilzunehmen. Nach US-amerikanischem Recht sind dies Personen, die an Stelle des nicht entscheidungsfähigen Patienten Entscheidungen treffen (im Gegensatz zu den meisten europäischen Ländern befinden sich die engsten Familienangehörigen in diesem Fall automatisch in einer solchen rechtlichen Position).

Diesen „rechtlichen Vertretern“ von tatsächlich an der Intensivstation liegenden Patienten wurde ein 10-minütiges Video zu einem Aufklärungsgespräch hinsichtlich der Prognose eines fiktiven Patienten vorgeführt. Dieses Video existierte in zwei Versionen, den Probanden wurde jeweils nur eine Version in randomisierter Weise gezeigt. Die beiden Versionen des Videos unterschieden sich nur in einer Sequenz.

In der ersten  Version wurde vom aufklärenden Arzt eine quantitativ formulierte Prognose abgegeben: „Ich würde sagen, er hat eine ungefähr 10-prozentige Chance zu überleben. Anders ausgedrückt besteht eine 90-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass er sterben wird“. In der zweiten Version des Videos hat sich der Arzt so ausgedrückt: „Ich würde sagen, es ist sehr unwahrscheinlich, dass er überleben wird. Anders ausgedrückt ist es sehr wahrscheinlich, dass er sterben wird“ (qualitativ, beschreibende Prognose). Diese Sätze wurden während eines vom Arzt in betont empathischer Weise geführten Aufklärungsgesprächs verwendet, in dem die medizinische Situation, die Prinzipien der stellvertretenden Entscheidungsfindung, die Prognose des Patienten, die mutmaßlichen Wertvorstellungen des Patienten und die Behandlungsoptionen erörtert wurden. Die Formulierung „sehr unwahrscheinlich“ in der qualitativ beschreibenden Version wurde gewählt, nachdem andere Studien gezeigt hatten, dass damit in der Regel ein prognos­tischer Bereich mit 9-15% Chance beschrieben wird.

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Tags: intensiv-news angehörigenbetreuung 

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