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Verantwortliche Freiheit in der Wissenschaft

Außerordentliche Sitzung des Nephrologischen Forums München, 26.6.2008 anlässlich des 80. Geburtstages von Prof. Dr. med. Dr. h.c. Klaus Thurau


Wenn Sie heute einen großen, einen erfolgreichen Wissenschaftler, einen hochgeschätzten Lehrer ehren, ist das zunächst einmal eine Sache der Fachkollegen. Sie können seine Persönlichkeit, seine Ausstrahlung, seine fachlichen Ergebnisse, seine Bedeutung in der Universität, in seinem Institut, in der wissenschaftlichen Welt würdigen. Daneben kommt mir die schöne Aufgabe zu, und dafür bin ich dankbar, die strukturellen, die ethischen, die rechtlichen Rahmenbedingungen zu benennen, in denen sich eine solche Wissenschaft entfalten kann. Und dabei wird viel die Rede sein von einem Wissenschaftler in verantwortlicher Freiheit. Wem dieser Terminus  zu abstrakt ist, der mag an dieser Stelle stets an den heute zu Ehrenden denken. Personalisierung, Individualisierung sind bei dem Thema Freiheit immer erwünscht.

I.     Das Prinzip der Freiheit als Angebot

Freiheit heißt, sich von anderen unterscheiden zu dürfen. Der Dichter schreibt Tag und Nacht und wird reich an Texten, der Kaufmann verkauft Tag und Nacht und wird reich an Bilanzen. Diese Menschen sind dank ihrer Freiheit grundverschieden. Wenn sie ihre Biographie so fortsetzen, werden sie im Laufe ihres Lebens diese Verschiedenheit mehren. Eine freiheitliche Gesellschaft setzt auf die Unterscheidung. Die verfassungsrechtlichen Freiheitsangebote gewähren Rechte, sehen den Berechtigten also stets in seiner Beziehung zu einem Gegenüber, der grundsätzlich gleiche Freiheiten beansprucht. Deswegen begründet ein Freiheitsrecht nur dann ein Recht zur Beliebigkeit, wenn die Wahrnehmung der rechtlich definierten - begrenzten - Freiheit ausschließlich den Berechtigten betrifft. Im Rahmen dieser Gegenwartsfreiheiten kann sich der Freiheitsberechtigte heute entscheiden, ein Glas Bier oder ein Glas Wein zu trinken, zu Fuß zu gehen oder mit dem Auto zu fahren, ein Buch zu lesen oder ein Theater zu besuchen. Will der Grundrechtsträger hingegen in die großen Gärten der Freiheit wie etwa die Wissenschaft, die Familien- oder Firmengründung eintreten, also seine langfristigen Zukunftsfreiheiten wahrnehmen, sind stets andere Freiheitsberechtigte mitbetroffen. Sie erschließen sich ihm nur, wenn er bereit ist zur langfristigen Bindung. Der Wissenschaftler studiert, promoviert, habilitiert und entwickelt ein großes wissenschaftliches Konzept und geht dabei Schritt für Schritt beharrlich vorwärts. Diese Freiheit schützt die Kraft zur Bindung.

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Tags: nephro-news rechtsordnung freiheit wissenschaft sondersitzung 

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