Corticosteroide bei allen Formen des ARDS?

Der Einsatz von niedrig dosierten Corticosteroiden beim schweren ARDS wird seit Jahren kontrovers diskutiert. Obwohl sich seit der ersten kontrollierten Studie zu diesem therapeutischen Ansatz die Datenlage Schritt für Schritt verbessert hat, wurde gerade zu Beginn der COVID-19 Pandemie von der WHO und von der Surviving Sepsis Campaign eindringlich vor Corticosteroiden gewarnt. Zu schlecht waren die Erfahrungen, die man mit Corticosteroiden bei der Behandlung eines ARDS, ausgelöst durch eine H1N1 Viruspneumonie, gewonnen hatte (Matthay MA and Liu KD; Am J Respir Crit Care Med 2011; 183:1127).

Erst das überraschende Ergebnis der RECOVERY Studie, die bei sauerstoffpflichtigen und beatmeten Patienten mit COVID-19 ein besseres Outcome fand, wenn mit einer vergleichsweise niedrigen Dosis von Dexamethason (6 mg/die für 10 Tage) behandelt wurde, änderte die Einschätzung dieses Therapieansatzes mit Corticosteroiden auch bei Virusinfektionen (The RECOVERY Collaborative Group; N Engl J Med 2021; 384:693).

Dabei war nahezu untergegangen, dass zu Beginn der ersten Welle der COVID-Pandemie eine große randomisierte Studie zum Einsatz von Corticosteroiden beim frühen, moderaten bis schweren akuten Lungenversagen (ARDS) unterschiedlicher Genese veröffentlicht wurde (Villar J; Lancet Respir Dis 2020; 8:267). In dieser Studie aus Spanien fanden die Autoren eine kürzere Beatmungsdauer, eine niedrigere Sterblichkeit auf der Intensivstation, im Krankenhaus und am Tag 60 nach Beginn eines ARDS, wenn mit Dexamethason (20 mg/die für 5 Tage, 10 mg/die für weitere 5 Tage) behandelt wurde. Dabei zeigten sich diese statistisch signifikanten Behandlungseffekte noch bevor die eigentlich geplante Zahl der zu rekrutierenden Patienten erreicht wurde.