09. November 2022
Berlin, 08. November 2022 – Auf einem von Takeda unterstützten Symposium anlässlich der 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN) 2022* stellten Dr. Jens Gaedeke, Oberarzt an der Klinik für Nephro- logie und Intensivmedizin, Campus Charité Mitte, Berlin, und Prof. Dr. Oliver Witzke, Direktor der Klinik für Infektio- logie am Universitätsklinikum in Essen, Seltene Erkrankungen aus ihrem jeweiligen Fachbereich und die damit verbundenen Herausforderungen in Diagnostik und Therapie vor.
Morbus Fabry – Warnhinweise dieser seltenen Erkrankung erkennen
Morbus Fabry ist eine seltene x-chromosomal vererbte lysosomale Speicherkrankheit, die mit einem Defekt des Enzyms α-Galaktosidase A (AGAL) einhergeht.6 In der Folge akkumulieren Stoffwechselprodukte wie Globotriaosyl- ceramid (Gb3) oder Globotriaosylsphingosin (lyso-Gb3) in Geweben und Organen und führen zu biochemischen und funktionellen Beeinträchtigungen und Auslösung von Entzündungsprozessen.6 Morbus Fabry ist eine Multisys- temerkrankung, die zahlreiche Organe und Organsysteme betreffen und entsprechend vielfältige klinische Sympto- me verursachen kann.2 Besonders betroffen sind Herz, Nieren, Gastrointestinaltrakt sowie peripheres und zentra- les Nervensystem.2 Der Verlauf der Erkrankung ist progressiv und erste Symptome treten bereits in der Kindheit und Jugend auf wie neuropathische Schmerzen, gastrointestinale Beschwerden, Angiokeratome und Hypohidrose.7 Mit Voranschreiten der Erkrankung kommt es u. a. zu Niereninsuffizienz, Kardiomyopathie und Schlaganfall.7 «Leider wird die Diagnose des Morbus Fabry immer noch mit großer Verzögerung von Jahren oder Jahrzehnten gestellt und die Patienten stellen sich häufig erst bei signifikanter Organbeteiligung vor», erläuterte Gaedeke und schilderte anhand eines Patientenfalls die Warnsignale, die auf einen Morbus Fabry hindeuten können: Bei einem 31-jährigen Patienten mit unklarer Proteinurie wurde anhand histologischer, genetischer und biochemischer Analysen die Diagnose Morbus Fabry gestellt. Fremdanamnestisch durch Befragung der Mutter konnte erhoben werden, dass der Patient bereits in der Kindheit Symptome der Erkrankung aufwies: Wachstumsschmerzen, Akroparästhesien und Hitzeintoleranz. «Grundsätzlich sollten atypische Verläufe immer den Verdacht erregen», führte Gaedeke weiter aus. Ein kryptogener Schlaganfall bei Patienten vor dem 55. Lebensjahr oder eine Proteinurie ohne typische Grunderkrankungen wie Hypertonie oder Diabetes sowie ohne immunologisch auffällige Parameter sollten Anlass für genetische und biochemische Untersuchungen auf Morbus Fabry geben.
Aktuelle und zukünftige Therapieoptionen bei Morbus Fabry
Um den weiteren Befall der Organe, insbesondere der Nieren, des Herzens und des zentralen Nervensystems, aufzuhalten oder zu verzögern, ist eine frühe krankheitsspezifische Therapie wichtig.2 Derzeit zugelassene Medikamente zielen darauf ab, das intrazelluläre Gb3 zu reduzieren.2 Während die Enzymersatztherapie, die alle 14 Tage intravenös verabreicht wird, das fehlende Enzym AGAL ersetzt, erhöht die orale Chaperon-Therapie die Enzymaktivität durch Stabilisierung der fehlgefalteten AGAL.2 «Die Chaperon-Therapie kann nur bei Mutationen eingesetzt werden, die mit einer Enzymrestfunktion einhergehen», ergänzte Gaedeke. Weiter berichtete er von zukünftigen Therapieoptionen, die sich aktuell in klinischer Prüfung befinden: neben neuen Enzympräparaten und Gentherapie, auch eine Substratreduktionstherapie, die die De-novo-Synthese von Gb3 hemmt.2
r/r CMV-Infektion – ein signifikantes Problem in der Transplantationsmedizin
Mit einem eindrücklichen Patientenfall leitete Witzke seinen Vortrag ein: Nach zwei fehlgeschlagenen Nierentrans- plantationen bei einer Patientin mit atypischem hämolytisch-urämischen Syndrom (aHUS) ermöglichte Eculizumab eine erfolgreiche Transplantation. Eine posttransplantäre Cytomegalievirus (CMV)-Infektion wurde mit Valganciclo- vir behandelt. Bei Entwicklung von Resistenzen wurde bei CMV-Kolitis die Therapie auf Foscarnet umgestellt, was jedoch zum akuten Nierenversagen führte. Im weiteren Verlauf kam es zu einer akuten Abstoßungsreaktion. «Wir haben es mit der Situation einer schwer beherrschbaren refraktären/resistenten (r/r) CMV-Infektion und einer Abstoßungsreaktion zu tun. Man sollte denken, dass hier die Geschichte zu Ende ist», zog Witzke ein erstes Zwischenfazit zur Falldarstellung. Der Verdacht einer refraktären CMV-Infektion liegt vor, wenn nach mindestens zweiwöchiger antiviraler Therapie in adäquater Dosis die Viruslast persistiert oder steigt.3 Dies sollte zur Abklärung resistenzvermittelnder Mutationen durch genotypische Untersuchungen führen.3 Dabei korreliert die Entwicklung von Resistenzen mit höherer Morbidität und Mortalität.8
Bedarf an wirksamen und sicheren Therapieoptionen für r/r CMV-Infektionen nach Transplantation
«Es gibt kein Kochrezept», schilderte Witzke die Herausforderungen bei der Behandlung von r/r CMV-Infektionen. Bislang gäbe es keine kontrollierten Studiendaten und die Therapiealgorithmen der Leitlinien würden auf Exper- tenkonsens unter Berücksichtigung des individuellen Einzelfalls und der Dringlichkeit einer Behandlung basieren.8 Neben einer Reduktion der Immunsuppression kann in Abhängigkeit der nachgewiesenen Resistenz eine Dosis- eskalation von Ganciclovir oder eine Behandlung mit Foscarnet oder Cidofovir angezeigt sein.8 Ihre Anwendung werde jedoch durch Toxizitäten und die Entwicklung von Resistenzen limitiert.8 Neue Therapieoptionen zur Behandlung der r/r CMV-Infektion würden in klinischen Studien untersucht, z. B. die adoptive Immuntherapie mit CMV-spezifischen T-Zellen, so Witzke.5 Bereits im Zulassungsverfahren befindet sich Maribavir. Während die konventionellen Virostatika die virale DNA-Polymerase pUL54 als Zielstruktur haben, hemmt Maribavir die pUL97, die an der viralen DNA-Replikation, der Verpackung und der Ausschleusung der viralen Kapside aus dem Zellkern beteiligt ist.9
Die Wirksamkeit und Sicherheit von Maribavir wurden in der klinischen Phase III-Studie SOLSTICE untersucht.9 In dieser multizentrischen, aktiv kontrollierten, open-label Studie wurden 352 Patienten mit r/r CMV-Infektion nach solider Organtransplantation (SOT) oder hämatopoetischer Stammzelltransplantation (HSZT) 2 : 1 randomisiert mit Maribavir (n = 235) oder mit einer vom Studienarzt zugewiesenen konventionellen Virostatikatherapie (Ganciclovir, Valganciclovir, Foscarnet, Cidofovir als Monotherapie oder in Kombination, n = 117) 8 Wochen lang behandelt.9 Zwischen beiden Gruppen zeigte sich ein signifikanter Unterschied zugunsten Maribavir hinsichtlich der CMV- Virämie-Clearance in Woche 8 (primärer Endpunkt; 56 % vs. 24 %).9 Auch erreichte unter Maribavir ein größerer Anteil der Patienten den wichtigsten sekundären Endpunkt, d. h. eine CMV-Virämie-Clearance und Symptom- kontrolle in Woche 8 und Aufrechterhaltung bis Woche 16 (19 % vs.10 %).9 «Wird die Therapie abgesetzt, kommt es bei einem Teil der Patienten zur Rekurrenz. Es ist deshalb wichtig, Strategien zu haben wie beispielsweise die Verlängerung der Behandlungsdauer», interpretierte Witzke die Ergebnisse zum sekundären Endpunkt und fasste die Wirksamkeit zusammen: «Insgesamt zeigt Maribavir überzeugende Daten, auch in allen Subgruppen.» Die relevanteste Nebenwirkung, die unter Maribavir auftrat, waren – reversible – Geschmacksstörungen.9
Anschließend schilderte Witzke den weiteren Verlauf des Patientenfalls: Die akute Abstoßung des Transplantats konnte behandelt werden. Nachdem sich unter der Rezidivprophylaxe mit Letermovir Resistenzen entwickelten, wurde die Behandlung auf Foscarnet umgestellt und es kam zu einer erneuten Abstoßungsreaktion. «Wir warten auf die Ergebnisse der Nierenbiopsie, um das weitere Prozedere zu planen. Eine Behandlung mit Maribavir wäre eine Option», so Witzke abschließend.
Quellen
1 Germain DP. Orphanet J Rare Dis 2010; 5: 30
2 Lenders M et al. Drugs 2021; 81: 635-645
3 Chemaly RF et al. Clin Infect Dis 2019; 68: 1420-1426
4 Stern A et al. Curr Infect Dis Rep 2019; 21: 45
5 Haidar G et al. J Infect Dis 2020; 221: S23-S31
6 Pieroni M et al. J Am Coll Cardiol 2021; 77: 922-936
7 Mehta A et al. Genet Med 2010; 12: 713-720
8 Kotton CN et al. Transplantation 2018; 102: 900-931 9 Avery RK et al. Clin Infect Dis 2022; 75: 690-701
* Seltenen Nierenerkrankungen auf der Spur: von Morbus Fabry bis zur CMV nach Transplantation, Takeda-Symposium am 07.10.2022 zur 14. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie vom 06.10.2022 bis 09.10.2022
Über Takeda
Takeda ist ein global führendes, wertebasiertes, forschendes, biopharmazeutisches Unternehmen mit Hauptsitz in Japan. Wir haben uns der Erforschung und Bereitstellung lebensverändernder Therapien verschrieben. Dabei werden wir von unserer Verpflichtung gegenüber Patienten, unseren Mitarbeitenden und der Umwelt geleitet. Takeda fokussiert seine Forschung auf vier Therapiegebiete: Onkologie, Seltene Genetische Erkrankungen & Hämatologie sowie Neurowissenschaften und Gastroenterologie. Außerdem investiert Takeda zielgerichtet in Forschungsaktivitäten in den Bereichen Plasmabasierte Therapien und Impfstoffe. Takeda in Deutschland gehört mit rund 2.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den weltweit größten Landesgesellschaften von Takeda.
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