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Presseinformation Sanofi-Aventis Deutschland GmbH

07. Februar 2022

 

Diagnostischer Notfall: Thrombotische Mikroangiopathie (TMA)

Frankfurt, 07. März 2022. Bei einer TMA kommt es infolge der Bildung endothelschadenassoziierter Thromben zu Störungen der Mikrozirkulation und Organdysfunktion. Diese können innerhalb kurzer Zeit lebensbedrohlich werden. Wichtig sind daher eine schnelle Diagnose und Behandlung.1 Da Organischämien überall im Körper auftreten können, können Patienten mit ganz unterschiedlichen Symptomen in allen Fachdisziplinen vorstellig werden. Wie man eine TMA rechtzeitig erkennt, wann eine thrombotisch thrombozytopene Purpura (TTP) als Differenzialdiagnose relevant ist und welche Auswirkungen die COVID-19-Pandemie auf diese vulnerable Patientengruppe hat, haben Experten auf dem diesjährigen Kölner TMA-Symposium* diskutiert.

TMAs sind selten, aber sie können jederzeit und überall im Klinikalltag auftreten: Manche Patienten kommen fußläufig in die Notaufnahme, manche werden mit dem Rettungswagen eingeliefert. Aufgrund einer anderen, z.B. malignen Grunderkrankung können bereits hospitalisierte Patienten eine sekundäre TMA entwickeln, und mitunter verbirgt sich hinter einer Verlegung aus einem kleineren Krankenhaus in ein universitäres Zentrum eine bis dahin nicht erkannte TMA. Die Herausforderung: In allen Fällen muss die Diagnose rasch gestellt werden, um irreversible Schäden und einen tödlichen Ausgang zu vermeiden.

Potenzieller Ausgangspunkt: akute hämolytische Anämie
Wie Dr. med. Sebastian Potthoff ausführte, wurde dafür in der zentralen Notaufnahme der Universitätsklinik in Düsseldorf eine Standard Operating Procedure (SOP) etabliert, die darauf abzielt, akute hämolytische Anämien zuverlässig zu erkennen, da diese häufig Ausdruck von lebensbedrohlichen Erkrankungen sein können. Demnach besteht ein Verdacht immer dann, wenn Hämoglobin erniedrigt sowie Laktatdehydrogenase und Bilirubin erhöht sind – was schnell und einfach festzustellen ist, wie Potthoff betonte. Diese Befunde lösen dann eine weitere Abklärung hinsichtlich einer Hämolyse aus, die eine erweiterte Diagnostik mit Differenzialblutbild, Retikulozyten, Fragmentozyten, Haptoglobin und Coombs-Test umfasst. Dazu kommen eine ausführliche Anamnese, eingehende körperliche Untersuchung und eine Sonographie des Abdomens.

Die Diagnose einer TMA wird laut Potthoff gestellt, wenn Patienten eine Coombs-negative hämolytische Anämie mit Nachweis von Fragmentozyten, einer erhöhten Laktatdehydrogenase, erniedrigtem Haptoglobin und zusätzlich eine Thrombozytopenie in Kombination mit einer Dysfunktion mindestens eines Organs aufweisen.1 Zwecks weiterer Abklärung und Differenzialdiagnose sollte bei diesen Patienten Kontakt zu Kollegen innerhalb des Krankenhauses aufgenommen werden, die sich mit diesem Krankheitsbild auskennen – meist die Nephrologie, empfahl Potthoff.

Differenzialdiagnostisch kommen insbesondere eine TTP, die verschiedenen Formen des hämolytisch-urämischen Syndroms (aHUS, STECH-HUS) sowie sekundäre TMAs (z.B. infolge von Organtransplantation, Infektionen, durch Medikamente induziert, in Assoziation mit malignen und Autoimmunerkrankungen) infrage.2 Darüber hinaus zeigt auch eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) eine ähnliche Laborkonstellation, allerdings bei gestörter Gerinnung. Bei schwangeren Patientinnen ist zudem an eine Präeklampsie oder ein HELLP- Syndrom zu denken.3 Prof. Dr. med. Sirak Petros betonte, dass eine saubere Differenzialdiagnose die Voraussetzung für die Wahl einer erfolgversprechenden Therapie ist.

TTP immer abklären
Pathophysiologisch liegt der aTTP die Bildung von Autoantikörpern gegen die Protease ADAMTS13 zugrunde. In der Folge können ultra-lange von Willebrand Faktor (vWF)-Multimere nicht gespalten werden und verursachen die Anlagerung von Thrombozyten und Bildung von Mikrothromben in den kleinsten Blutgefäßen.4 Organischämien betreffen häufig das zentrale Nervensystem, aber auch gastrointestinale Symptome, Nierenversagen und kardiale Symptome sind typisch.1-4 Bei Vorliegen einer TMA wird die Diagnose der TTP auf Basis der ADAMTS13-Aktivität gestellt: Liegt sie unter 10 % des Normwerts, so ist eine TTP gesichert. Lassen sich auch Antikörper („Inhibitor“) nachweisen, handelt es sich um eine erworbene TTP (aTTP, iTTP), bei Nachweis entsprechender Genmutationen um die extrem seltene angeborene Form.3

Obwohl die Ergebnisse der ADAMTS13-Diagnostik meist erst mit Verzögerung verfügbar sind, ist ein rascher Therapiebeginn essenziell. In dieser Situation kann mit dem PLASMIC-Score anhand von Labor- und klinischen Parametern die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines schweren ADAMTS13-Mangels abgeschätzt werden.5 Ist eine aTTP wahrscheinlich, so ist unverzüglich mit der Therapie zu beginnen, betonte Prof. Dr. med. Martin Bommer, Göppingen. Diese kann die drei Säulen Caplacizumab, Immunsuppression (Steroide plus ggf. Rituximab**) und Plasmapherese einschließen.4,6 Die spezifische Therapie mit Caplacizumab blockiert dabei die Thrombozyten-bindende Domäne des vWF und damit die vWF-vermittelte Thrombozytenadhäsion.7

TTP-Therapie in Zeiten der COVID-19-Pandemie
Dass thromboembolische Ereignisse bei COVID-19 gehäuft auftreten, war bereits früh im Verlauf der Pandemie klar, wie PD Dr. med. Felix Seibert, Herne, erinnerte. Dabei handelt es sich um Immunothrombosen, die durch die Interaktion von Leukozyten und Thrombozyten (und jeweils ihren vielfältigen Botenstoffen) sowie Gerinnungsfaktoren entstehen.8 Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen eine zerstörte Gefäßarchitektur.9 Wie Seibert erläuterte, kommt es bei COVID-19 unter anderem zu einer Überproduktion ultralanger vWF-Multimere, wodurch ein relativer ADAMTS13-Mangel entsteht, ähnlich wie bei einer TTP. Aktuelle Daten zeigen, dass Patienten umso schwerer an COVID-19 erkranken, je größer die Überproduktion der vWF-Multimere im Vergleich zur ADAMTS13 ist.10

ADAMTS13 und Schlaganfall – eine spezielle Assoziation?
Neurologische Symptome einer akuten TTP-Episode können vielfältig sein und reichen von Kopfschmerzen über delirante Symptome, epileptische Anfälle, Paresen/Sensibilitätsstörungen und Aphasien bis zu Schlaganfällen und Koma. In einer Kohorte mit TTP-Patienten erlitten zudem 13 Prozent nach einer akuten Episode mit etwas zeitlichem Abstand einen Schlaganfall, nachdem sie bereits in Remission waren, wie Prof. Dr. Tobias Müller, Neuruppin, berichtete. Bei allen war die ADAMTS13-Aktivität zu diesem Zeitpunkt erniedrigt und die Thrombozytenzahl im Normbereich.11 Interessant: Bei einer Analyse von „normalen“ Nicht-TTP-Schlaganfällen zeigte sich, dass ein erhöhtes Schlaganfallrisiko und eine niedrige ADAMTS13-Aktivität miteinander assoziiert waren.12 Eine weitere Untersuchung bei Nicht-TTP-Patienten mit Schlaganfall ergab, dass eine höhere ADAMTS13-Aktivität ein unabhängiger Prädiktor für den Erfolg sowohl einer systemischen Thrombolyse als auch einer interventionellen Rekanalisation war.13

* Kölner TMA-Symposium, 4. und 5. Februar 2022, wissenschaftliche Leitung; Prof. Dr. med. Paul Brinkkötter, Köln
** nicht zugelassen zur Therapie der TTP, aber in Leitlinien empfohlen

Literatur

1 Gäckler A, Witzke O. Der Nephrologe 2021; 16: 113-123
2 Azoulay et al., Chest, 2017; 152(2), 424-34
3 Fakhouri F, Frémeaux-Bacchi V. Nature Rev Nephrol 2021; 17: 543-553
4 Bommer M. et al. Dtsch Arztebl Int 2018; 115: 327-334
5 Bendapudi PK et al. Lancet Haematol 2017; 4: e157-e164
6 Zheng XL et al. J Thromb Haemost 2020; doi:10.1111/JTH.15006
7 Fachinformation Caplacizumab; Stand 11/2021
8 Loo J et al. Thorax 2021; 76: 412-420
9 Ackermann M et al. NEJM 2020; 383: 120-128
10 Doevelaar AA et al. Crit Care Med 2021; 49: e512-e520 11 Upreti H et al. Blood 2019; 134: 1037-1045
12 Sonneveld MAH et al. Blood 2015; 126: 2739-2746
13 Bustamante A et al. Neurology 2018; 90: e995-e1004

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