Berlin, 05. November 2018 – Mit dem Vasopressin-V2-Rezeptor-Antagonisten Tolvaptan (JINARC®)
ist die Behandlung der autosomal-dominanten polyzystischen
Nierenerkrankung (ADPKD) einen entscheidenden Schritt weitergekommen.
Mit Tolvaptan kann erstmals zielgerichtet in die Pathophysiologie der
Krankheit eingegriffen und ihr Fortschreiten in der Niere verlangsamt
werden. Auf einem von Otsuka Pharma unterstützten Symposium im Rahmen
der 10. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN)
in Berlin präsentierten Experten neue Studiendaten zur Wirksamkeit und
Sicherheit von Tolvaptan auch bei Patienten mit fortgeschrittener
Niereninsuffizienz (CKD 1-4) und stellten einen neuen Weg vor, um die
für Tolvaptan geeigneten Patienten einfach und schnell zu
identifizieren. Zudem gaben sie wertvolle Tipps aus ihrer klinischen
Erfahrung mit der Therapie.
„Seit drei Jahren haben wir endlich
die Möglichkeit, bei ADPKD nicht nur Symptome und Begleiterkrankungen zu
lindern, sondern mit Tolvaptan (JINARC®) auch die Krankheitsprogression zu verlangsamen, erklärte Prof. Christian Hugo, Dresden.1,2
Die ADPKD-Behandlung mit Tolvaptan führte in der zulassungsrelevanten
Studie TEMPO 3/4 zu einer jährlichen Reduktion des
Nierenvolumenwachstums um 49% und zu einer Reduktion des jährlichen
Nierenfunktionsverlustes um 32%, berichtete Hugo.2 Wichtig für die Patienten sei zudem auch die Reduktion klinisch relevanter Nierenschmerzen um 36%, so Hugo.3
Welchen Patienten kann Tolvaptan helfen?
Die
Frage sei, welchen Patienten ab wann und wie lange eine
Tolvaptan-Therapie helfen kann, meinte Prof. Christian Rosenberger,
Berlin. Laut Zulassung ist Tolvaptan indiziert bei erwachsenen
ADPKD-Patienten in CKD 1-4 zu Behandlungsbeginn mit Anzeichen einer
raschen Krankheitsprogression.1 „Die Ergebnisse der CRISP-Studie4
haben verdeutlicht, dass bei ADPKD die Nierenfunktion zunächst lange
relativ stabil und ausreichend hoch bleibt. Erst wenn zu viele Nephrone
durch das Zystenwachstum ausfallen, sinkt die GFR. Das
Gesamtnierenvolumen (TKV) nimmt dagegen stetig zu“, erläuterte er.
Entscheidend für die Prognose der Nierenfunktion sei das einmalig
gemessene Gesamtnierenvolumen bezogen auf die Körpergröße (htTKV) und
das Alter. Die eGFR hingegen könne irreführen. So bleibe die eGFR bei
ca. 5% der Patienten jahrelang stabil, bei 15% schwanke sie erheblich.5 Allerdings falle die eGFR linear bei der überwiegenden Mehrzahl der Patienten (ca. 80%)5, die Prognose spiegele sich in der Steilheit dieses eGFR-Abfalles wider, so Rosenberger.
Tolvaptan verlangsamt den Nierenfunktionsverlust auch bei CKD 2-4
In
TEMPO 3/4 – wie auch in CRISP und HALT-PKD A – seien Patienten mit
niedrigeren CKD-Stadien (1–3a) untersucht worden, so Rosenberger weiter.
Für diese Patienten wurde die Wirksamkeit von Tolvaptan in TEMPO 3/4
bestätigt.2 Dass Tolvaptan auch bei höheren CKD-Stadien (2–4)
zu einer statistisch signifikanten Verlangsamung des
Nierenfunktionsverlustes im Vergleich zu Placebo führt, haben nun die
aktuellen Ergebnisse der REPRISE-Studie ergeben.6 In der
einjährigen, multizentrischen, randomisierten, doppelblinden,
placebokontrollierten Phase-IIIb-Studie wurden 1.370 ADPKD-Patienten –
vorwiegend mit CKD 3a, 3b oder 4 – randomisiert. Rosenberger erläuterte
das Studiendesign: Die 7- bis 8-wöchige Prä-Randomisierungsphase setzte
sich aus einer Screening-Phase (1–2 Wochen), einem Placebo-Run-in (1
Woche, einfach verblindet) sowie einer Tolvaptan-Phase (einfach
verblindet, 2 Wochen Titration und 3 Wochen Run-in) zusammen. Patienten,
die am Ende des Tolvaptan-Run-in eine Tolvaptan-Dosis von 90 mg/30 mg
(morgens/nachmittags) oder 60 mg/30 mg erhielten, wurden im Verhältnis
1:1 randomisiert und erhielten für 12 Monate entweder Tolvaptan oder
Placebo. An die Doppelblind-Phase schloss sich ein 2-wöchiges Follow-up
ohne Medikation an.6
In der Tolvaptan-Gruppe betrug die mittlere Veränderung der eGFR in 12 Monaten Behandlungsphase -2,34 ml/min/1,73 m2 (95 %-Konfidenzintervall [KI] -2,81 bis -1,87) im Vergleich zu -3,61 ml/min/1,73 m2
(95%-KI -4,08 bis -3,14) in der Kontroll-Gruppe (primärer Endpunkt), so
Rosenberger. Der Unterschied bei der Abnahme der Nierenfunktion von
1,27 ml/min/1,73 m2 zwischen beiden Gruppen war statistisch
signifikant (p < 0,001). Der Unterschied bei der eGFR-Veränderung in
einem Jahr (sekundärer Schlüsselendpunkt*) war mit 1,01 ml/min/1,73 m2 (95 % KI 0,62 bis 1,40) ebenfalls signifikant (p < 0,001).6
„Die
Ergebnisse von TEMPO 3/4 sprechen dafür, dass pro 3,6 Behandlungsjahren
mit Tolvaptan die Krankheitsprogression und damit eine
Dialysepflichtigkeit um ein Jahr aufgeschoben werden kann.2
Mit REPRISE konnte nun bestätigt werden, dass die Verlangsamung des
jährlichen Nierenfunktionsverlustes auch bei höheren CKD-Stadien sowie
bei Patienten im Alter bis zu 55 Jahren anhält“, betonte Rosenberger.6
Der Benefit von Tolvaptan bleibe auch bei der Langzeit-Anwendung
erhalten. Das hätte die Ergebnisse einer neuen Studie der Mayo-Klinik
verdeutlicht, bei der die Patienten teilweise über zehn Jahre lang mit
Tolvaptan behandelt worden waren, erklärte Rosenberger.7
Eine enge Patientenführung unterstützt den Therapieerfolg
Tolvaptan
weise ein günstiges Nutzen-Risiko-Profil auf – hierfür gebe es
inzwischen die Erfahrung mit der großen Zahl an behandelten Patienten in
den verschiedenen Tolvaptan-Studien.2,6 Wichtig sei, den
Patienten über mögliche Leberwerterhöhungen aufzuklären, die in TEMPO
3/4 und REPRISE beobachtet wurden, aber nach Absetzen bzw. Unterbrechung
der Therapie reversibel waren.2,6 Laut Rosenberger sei daher
eine konsequente Kontrolle der Leberwerte notwendig: in den ersten 18
Behandlungsmonaten monatlich, danach alle drei Monate.1 Zudem
müsse dem Patienten die durch den Wirkmechanismus von Tolvaptan
bedingte Steigerung der Aquarese, die in TEMPO 3/4 gezeigt wurde, genau
erläutert werden, ergänzte Hugo. Das sei mit entscheidend für den
Therapieerfolg. In der Praxis könne man, wie in den Studien, daher eine
hohe Adhärenz der Patienten beobachten. Zusätzlich sollte der Patient
Tipps für die Tolvaptan-Anwendung in speziellen Situationen erhalten,
wie z. B. dass die Tolvaptan-Therapie bei Dehydrierung, Diarrhoe,
Erbrechen oder unzureichendem Zugang zu Trinkwasser unterbrochen werden
sollte.
Vorgehen bei der Indikationsstellung für Tolvaptan wurde vereinfacht
„Das
Management der APDKD umfasst generell viele Aspekte“, erklärte Prof.
Thomas Benzing, Köln. Dazu gehöre u. a. die sorgfältige Beratung unter
Einbeziehung der Angehörigen genauso wie eine konsequente
Blutdruckkontrolle, die Empfehlung für mediterrane Ernährung,
Ausdauersport (inklusive vorangestellter Echokardiographie) sowie die
Hilfestellung bei Schmerzen oder Depressionen. Die ADPKD ist für die
Betroffenen eine große körperliche und psychische Belastung, betonte
Benzing.
Um die für Tolvaptan geeigneten Patienten zu
identifizieren, sei laut Benzing der bisher angewandte hierarchische
ERA-EDTA-Entscheidungsalgorithmus8 zur Einschätzung der
Progressionsgefahr überholt, da er relativ kompliziert sei und zudem
inzwischen Studien neue Erkenntnisse gebracht hätten. Einfacher und für
den Praxisalltag tauglicher sei hingegen ein gerade publizierter
„Practical Guide“ der Mayo-Klinik.9 Benzing präsentierte zwei
Kasuistiken, anhand derer er das Vorgehen der Mayo-Klinik bei der
Indikationsstellung für Tolvaptan verdeutlichte. Zur Einschätzung einer
raschen Krankheitsprogression bei ADPKD und damit für eine Entscheidung
zur Tolvaptan-Therapie werde das alterskorrigierte TKV als wichtigster
Prädiktor und die Mayo-Klassifizierung 1C-E herangezogen – so würden
auch Patienten erfasst, deren Nierenfunktion noch normal ist, die aber
dennoch in einigen Jahren dialysepflichtig würden, erläuterte Benzing.
Patienten mit rascher Progression, die aber zwischen 50 und 55 Jahre alt
seien, wären nach dem ERA-EDTA-Konsensus von der Therapie
ausgeschlossen. Dies sei nun nach den Mayo-Empfehlungen nicht mehr der
Fall, schließlich hätte REPRISE auch für Patienten bis 55 Jahre den
Benefit durch Tolvaptan bestätigt.6 Patienten mit Mayo-Klasse
1A oder 1B sollten hingegen nur weiter beobachtet und ihre
Krankheitsprogression in zwei bis drei Jahren erneut eingeschätzt
werden.6
Abschließend berichtete Benzing über die
aktuellen Erfahrungen aus dem Kölner AD(H)PKD-Register, das eingerichtet
wurde, um möglichst viel über ADPKD sowie die Therapie mit Tolvaptan zu
lernen. Es habe sich gezeigt, dass etwa 80 % der Patienten, die
Tolvaptan bekommen, die Therapie auch durchhalten. Sie kämen im Alltag
sehr gut mit der Behandlung, insbesondere der gesteigerten Aquarese,
zurecht und pausierten nur selten mit der Tabletteneinnahme. Etwa zwei
Drittel der Patienten hätten die gewünschte maximale Zieldosis von 90/30
mg Tolvaptan erreicht, erklärte Benzing.
* Für die Analyse der Endpunkte erfolgte eine Adjustierung an die genaue Zeitdauer, die ein Patient in der Studie war, und eine anschließende Interpolation auf ein Jahr Studiendauer.
Referenzen
1 JINARC® Fachinformation; Stand September 2018.
2 Torres VE et al. N Engl J Med. 2012;367:2407–2418.
3 Casteleijn NF et al. Am J Kidney Dis. 2017;69(2):210–219.
4 Chapman AB et al. Clin J Am Soc Nephrol. 2012;7:479–486.
5 Brosnahan GM et al. Am J Kidney Dis. 2018;71(5):666–676.
6 Torres VE et al. N Engl J Med. 2017;377:1930–1942.
7 Edwards ME et al. Clin J Am Soc Nephrol. 2018;13(8):1153–1161.
8 Gansevoort RT et al. Nephrol Dial Transplant. 2016;31:337–348.
9 Chebib FT et al. J Am Soc Nephrol. 2018;29(10):2458–2470.
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