15. April 2025
Frankfurt am Main, 14. April 2025. Akute Episoden einer iTTP* sind lebensbedrohlich.1 Seit einigen Jahren gehört der Nanobody Cablivi® (Caplacizumab) zusätzlich zu Plasmaaustausch und Immunsuppression zum Therapieregime.1,2 Eine aktuelle akademisch-initiierte Analyse bestätigt nun, dass sich seitdem eine signifikante Reduktion der Letalität bei iTTP beobachten lässt.3-4
Die TTP ist eine Erkrankung aus dem Spektrum der thrombotischen Mikroangiopathien (TMAs).1 Die Diagnose ist eine Herausforderung in der Notaufnahme, weil sie selten ist, sich sehr variabel präsentieren kann und einen akuten Notfall darstellt. Wie man bei TMAs und speziell der TTP bei Diagnose und Therapie am besten vorgeht, diskutierten jüngst mehr als 20 Expertinnen und Experten mit über 560 Teilnehmerinnen und Teilnehmern auf dem 5. Kölner TMA-Symposium.
Eine TMA ist charakterisiert durch eine Obliteration der Mikrostrombahn durch einen thrombotischen Verschluss mit der Folge einer Organdysfunktion, erinnerte PD Dr. Sebastian Potthoff, Düsseldorf. Das bedeutet: Je nachdem, wo im Körper dieser Prozess stattfindet, können die Betroffenen beispielsweise neurologische, nephrologische, kardiale, pulmonale oder gastrointestinale Symptome aufweisen.5 Zeigen sich gleichzeitig eine hämolytische Anämie sowie eine Thrombopenie – was auch in der Notaufnahme nach den Worten des Notfallmediziners einfach zu erkennen ist – besteht ein starker Verdacht auf eine TMA. Lassen sich außerdem Hämolysezeichen bei negativem Coombs-Test nachweisen, liegt eine TMA vor.6 Potthoff empfahl, spätestens zu diesem Zeitpunkt die Expertise der Fachdisziplinen hinzuzuziehen: Weil es sich bei einer TMA um die gemeinsame Endstrecke zahlreicher Erkrankungen handelt, muss die Ursache identifiziert werden, um die Therapie danach ausrichten zu können.
Bei der iTTP ist die Aktivität der Protease ADAMTS13 durch Autoantikörper erniedrigt.1 Als Folge entstehen in Arteriolen und Kapillaren ultralange vWF-Multimere, an die Thrombozyten binden, die sich außerdem vernetzen, wie Prof. Dr. Bernhard Lämmle, Mainz, erläuterte.1,7 Die Folgen: Bildung eines Thrombus, Hämolyse mit Fragmentozyten aufgrund der Scherkräfte an der verengten Stelle, Anämie, Thrombozytopenie und Organischämie.1,5-7
iTTP: Therapiebeginn bereits bei wahrscheinlicher Diagnose
Die Diagnose der iTTP erfolgt entsprechend dem Pathomechanismus durch den Nachweis einer ADAMTS13-Aktivität < 10 % des Normwerts.1 Zwar ist diese Spezialdiagnostik an spezialisierten TTP-Kompetenzzentren, Kliniken und Laboren mittlerweile innerhalb von 24 Stunden verfügbar – doch so lange kann man nach den Worten Prof. Dr. Ivo Quack, Konstanz, bei einer akuten Episode nicht mit dem Therapiebeginn warten. Die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines ADAMTS13-Mangels sollte daher zunächst anhand des PLASMIC-Scores (setzt sich aus sieben universell verfügbaren klinischen und Laborparametern zusammen) abgeschätzt werden.8 Bei einer hohen Wahrscheinlichkeit gemäß PLASMIC-Score lautet die Arbeitsdiagnose TTP und es ist unverzüglich eine Therapie einzuleiten, bzw. der/die Patient*in in ein Zentrum zu verlegen, wo dies möglich ist, so Quack. Oder mit anderen Worten: „Wenn man TTP denkt, muss man behandeln“.
iTTP-Therapie kombiniert drei Ansätze
Die Behandlung der iTTP ruht auf drei Säulen: Mittels Plasmaaustausch wird funktionelle ADAMTS13 zugeführt. Steroide und Rituximab hemmen die Bildung neuer Autoantikörper. Caplacizumab blockiert die Bindungsstelle für die Thrombozyten auf den vWF-Multimeren und verhindert so die Thrombozytenadhäsion und die Bildung von Mikrothromben.9,10 Wie Lämmle darlegte, wurde die Verbesserung des Therapieerfolgs durch die Hinzunahme von Caplacizumab seit den Zulassungsstudien in mehreren Real-World-Kohorten bestätigt.10-18
Caplacizumab senkte Letalität
Die aktuelle Untersuchung hatte nun die Verbesserung der Letalität zum Gegenstand. Verglichen wurde als primärer Endpunkt daher die Überlebensrate 3 Monate nach Therapiebeginn bei Patientinnen und Patienten, die zwischen 2018 und 2023 mit der Dreifach-Therapie behandelt wurden, mit der von Erkrankten, die zwischen 2015 und 2018 die bis dahin übliche Zweifach-Therapie aus Plasmaaustausch und Immunsuppression erhalten hatten. Insgesamt flossen in die retrospektive Analyse die Daten von 1015 (Dreifach-Therapie) bzw. 510 (Zweifach-Therapie) Patientinnen und Patienten aus 12 Ländern ein.3-4
Wie sich zeigte, betrug die Überlebensrate unter Hinzunahme von Caplacizumab 98,5 % im Vergleich zu 94 % ohne den Nanobody – somit lag die Letalität in der Kontrollgruppe um den Faktor 4,2 höher, so Lämmle. Die Number-needed-to-Treat, um einen Todesfall zu verhindern, betrug 22. Weiterhin zeigten sich unter Dreifach-Therapie ein schnelleres klinisches Ansprechen, weniger Exazerbationen und weniger refraktäre Verläufe.3-4 Blutungen waren nach wie vor die häufigste unerwünschte Nebenwirkung und in der Regel beherrschbar; schwere Blutungen traten häufiger in der älteren Bevölkerung mit Komorbidität und möglicherweise Polypharmazie auf. Neue unerwünschte Ereignisse wurden nicht beobachtet.3-4 „Diese retrospektive, akademisch-initiierte multizentrische Studie ergänzt die Belege dafür, dass Caplacizumab das Überleben und andere Ergebnisse verbessern und den Pflegeaufwand bei iTTP verringern kann“, resümierte Lämmle.
Neue Leitlinie
Seit März 2025 ist die erste S3-Leitlinie zur TTP für den deutschsprachigen Raum verfügbar.1
Referenzen
1 von Auer C et. al. S3-Leitlinie Diagnostik, Therapie und Nachsorge der thrombotisch thrombozytopenischen Purpura (TTP) der Gesellschaft für Thrombose und Hämostaseforschung (GTH) e.V. (federführende Fachgesellschaft), AWMF-Registernummer 086-007; https://register.awmf.org/assets/guidelines/086-007l_S3_KF_S3_Diagnostik-Therapie-Nachsorgethrombotischthrombozytopenische-Purpura-TTP_2025-03.pdf
2 Fachinformation Cablivi, Stand 11/2024
3 Coppo P et al. eClinical Medicine 2025; 82: 103168
4 Coppo P et al. Blood 2024; 144 (Supplement 1): 4001
5 Potthoff SA, Inn Med (Heidelb) 2025; 66: 64-81
6 Özcan F et al. Klin Intensivmed Notfmed 2023; 118: 301-308
7 Lämmle B. Nat Rev Nephrol 2016; 12: 259-260
8 Bendapudi PK et al. Lancet Haematol 2017; 4: e157
9 Scully M et al. Br J Haematol 2023; 203: 546-563
10 Zheng XL et al. J Thromb Haemost 2020; 18: 2496-2502
11 Coppo P et al. Blood 2021; 137: 733-742
12 Owattanapanich W et al. Clin Appl Thromb Hemost 2019; 25: 1076029618825309
13 Peyvandi F et al. N Engl J Med 2016; 374: 511-522
14 Scully M et al. N Engl J Med 2019; 380: 335-346
15 Knoebl P et al. J Thromb Haemost 2020; 18: 479-484
16 Völker LA et al. Blood Advances 2020; 4: 3085-3092
17 Dutt T et al. Blood 2021; 137: 1731-1740
18 Völker LA et al. J Thromb Haemost 2023; 21: 559-572
Quelle
5. Kölner TMA-Symposium, 21. Und 22. März 2025; wissenschaftliche Leitung: Prof. Dr. med. Paul Brinkkötter, Köln; unterstützt von Sanofi und Alexion
*iTTP: immun-vermittelte thrombotisch-thrombozytopenische Purpura; iTTP wird synonym verwendet mit erworbener [acquired] thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (aTTP)
Über Sanofi
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